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Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes

Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes

Titel: Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Wegner
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weitaus robuster war. Ihn konnten sie herumkugeln und zerzausen, ihm Bälle an den Kopf werfen, ihn erschrecken, ohne dass er losplärrte oder Schaden nahm. In seinem Eifer, den großen Brüdern auf den Fersen zu bleiben, hatte Cassian häufig Purzelbäume geschlagen. Er spielte mit den Jungwölfen ebenso gerne wie mit den übermütigen Buben. Was immer seine großen Brüder mit ihm anstellten, er war erlebnishungrig genug gewesen, um sich nichts davon entgehen zu lassen.
    »Weißt du noch, als Gilian und ich sehen wollten, ob du schon schwimmen kannst?«, hob Ruben mit leiser Stimme an. Vor seinen Augen sah er einen Welpen, der mit eingekniffener Rute und angelegten Ohren von einem Baum nach unten fiel. Die Augen fest zugepresst, aber ohne einen Laut von sich zu geben. »Wir haben dich in einen Teich geworfen. Du hast gepaddelt wie ein Irrsinniger und bist trotzdem untergegangen. Gilian ist dir nach gesprungen und hat dich herausgeholt. Es war das erste und letzte Mal, dass nicht nur Vater uns vertrimmt hat, sondern auch Mutter zum Riemen griff. Sie hatte einen gewaltigen Schlag am Leib.«
    Schmale Augen waren auf Ruben gerichtet. In ihnen fand sich keine Erinnerung, kein Erkennen, kein Begreifen. Fest rieb Ruben über sein Gesicht.
    »Ich bin nicht nach Paris gekommen, um dich sterben zu sehen, Mann! Es muss doch etwas geben …«
    Unter seiner lauten Stimme spannte der Wolf sich an. Seine Schnauze kräuselte sich. Er legte die Ohren an und zeigte die Zähne. Solange er sich nicht wehren konnte, hielt er alles für eine Gefahr. Es war der Instinkt eines Raubtiers. Der Mensch dahinter trat immer weiter zurück. Unerreichbar für seine Sippe oder sein Rudel. Irgendwo in diesem Raubtier war Cassian, daran hielt Ruben fest. Er musste ihn lediglich erreichen.
    Jäh stutzte er. Es gab eine Verlockung. Sehr langsam erhob er sich und ging rückwärts auf die Tür zu. Ein Knurren begleitete ihn. Der Wolf behielt ihn unentwegt im Auge. Im Gang wurde Ruben schneller. Er lief, dann rannte er und schlidderte regelrecht in einen Salon, sah sich um und fand, wonach er suchte. Ein zerknautschter Strohhut war es, dem der Regen die Form genommen hatte. Zerknitterte, blaue Zierbänder fielen über den Rand eines Beistelltischs. Er nahm den Hut auf und roch daran. Gras! Intensiv und verteufelt gut. Mit Riesensätzen stürmte er zurück, bremste vor der Tür ab und regulierte seinen Atem. Er musste ruhig bleiben.
    Der Wolf schlug die Augen auf, als Ruben eintrat. Sein ausgestreckter Arm löste das nächste, drohende Grollen aus.
    »Das ist ihr Hut. Sie hat ihn vergessen. Florine. Erinnerst du dich?«
    Der Wolf wollte sich aufrichten, landete auf dem Bauch und schob sich auf die Bettkante zu. Seine Schnauze schabte über das Laken, eine seiner Krallen riss ein Loch hinein. Wilder Zorn brannte in seinem Blick, durchsetzt von quecksilbrigen Flecken, als er erkannte, dass er sich nicht wehren konnte und ihm nur die Flucht vor dem Mann blieb, der sich ihm näherte.
    Ruben handelte instinktiv und ging auf Hände und Knie. Er schämte sich nicht, auf dem Boden zu rutschen, sich so klein wie möglich zu machen, damit der Wolf auf ihn herabblicken und sich überlegen fühlen konnte. Vorsichtig schob er den Hut auf das Bett, legte sich flach hin und drehte sich auf den Rücken. Seine Unterwerfungsgeste war vollständig. Der Wolf hielt still, behieltRuben im Blick, doch seine Nase näherte sich dem Hut. Die Nüstern blähten sich. Tief drückte er seine Schnauze in das Stroh und schnaufte angestrengt. Ein Schauder ging durch ihn hindurch, er äußerte ein tiefes Brummen, blinzelte ein letztes Mal auf Ruben hinab und schloss die Augen.
    »Cassian?«, flüsterte Ruben panisch.
    Ein graublauer, müder Spalt öffnete sich. Lass mich endlich zufrieden, schien das leise Grunzen zu bedeuten, ehe das Auge wieder zufiel. Immerhin ein Anfang. Ruben lauschte auf den schweren Atem, musterte die Wolfsohren, die im Schlaf zuckten und setzte sich irgendwann zurück in seinen Fauteuil. Ein kleiner Hoffnungsfunke war alles, was er sich erlaubte, während er über den Schlaf seines Bruders wachte.

     
    Ein Kratzen und Knistern im Nacken störte Cassians Schlaf. Kühle Laken waren in seinem Rücken und Sonnenstrahlen wärmten Brust, Bauch und Beine. Trotz der Bequemlichkeit seines Bettes tat ihm jeder einzelne Knochen weh, als sei er unter die Hufe eines Schlachtrosses geraten. Mehrere Schlachtrösser mit gewaltigen Hufen, korrigierte er sich. Als er vorsichtig

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