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Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes

Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes

Titel: Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Wegner
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Unter der Kollision der beiden Männer knackten Knochen. Die Brutalität ihres Aufeinanderprallens wurde Florine erst bewusst, als die beiden am Boden lagen und miteinander rangen. Sie schlugen aufeinander ein, ihre Fäuste schmetterten in hartes Fleisch und auf scheinbar stählerne Knochen. Wild und stumm kämpften sie miteinander, wurden zu einem Wirbel aus Gliedern, der nicht erahnen ließ, wer die Oberhand erlangte. Jäh ließen sie voneinander ab und gelangten gleichzeitig auf die Füße. Micas Kleidung war nicht mehr weiß, sondern mit grauem Staub überzogen. Cassian blutete an der Schläfe.
    »Du forderst einen Krieg heraus, Cassian. Verlasse mein Haus, ehe ich vergesse, dass ich deinem Vater mein Wort gegeben habe.«
    »Ich gehe nicht ohne sie.«
    »Sie gehört dir nicht, obwohl ich dich überall an ihr riechen kann. Sie wird dir nie gehören. Dein Leben hängt an einem seidenen Faden. Du ahnst nicht einmal, was du herausforderst.«
    Florine sah von einem zum anderen, und es wurde ihr immer unverständlicher. Um ihretwillen war noch nie eine Schlägerei ausgetragen worden, erst recht hatte es keine Drohungen gegeben, die nach Mord klangen. Sie war ein Findelkind, um dessen Schicksalsich bisher keine Seele geschert hatte, und nun standen da zwei Männer einander gegenüber, der eine dunkel, der andere hell und wollten ihretwegen Blut vergießen? Sie hoffte, Cassian würde nicht klein beigeben, und gleichzeitig fürchtete sie, er könnte sich auf die Herausforderung einlassen und unterliegen. Dann wäre alles ihre Schuld. Mit der Zungenspitze befeuchtete sie ihre Unterlippe
    »Ich …«
    Ihr Krächzen ging in Cassians Wutgebrüll unter. Er sprang auf Mica zu, und was dann geschah ließ sie endgültig an ihrem Verstand zweifeln. Druck legte sich auf ihre Ohren, eine Welle aus Luft presste sie gegen die Wand und nahm ihr den Atem. Inmitten herumfliegender Kleiderfetzen tauchte ein Wolf auf. Ein riesiges Tier, dessen Fell honigbraun glänzte. Es ging Mica direkt an die Kehle. Es musste ein Alptraum sein. Sie lehnte gar nicht an einer Wand in einem verfallenen Haus. Bestimmt war sie ohnmächtig geworden, in ihrem Zimmer oder auf dem Weg dorthin. Und im Fall hatte sie sich den Kopf gestoßen.
    Saint-Germain schrie auf und duckte sich hinter einen wuchtigen Schreibtisch, während die Wucht des Angriffs Mensch und Tier zu Boden warf, wo sie sich in einem unentwirrbaren Knäuel herumrollten. Die Ecke, auf die Florine sich zugeschoben hatte, verlor ihren Reiz. Es war weitaus klüger, auf die Tür zuzusteuern. Ihr Rücken schabte über blanken Stein und zu Pergament versteifte Tapisserien. Ihr Blick haftete auf dem Wolf und dem Mann, deren Kampf ins Stocken geriet. Mica hatte die Finger in die gesträubte Fellkrause des Wolfes gegraben und hielt ihn auf Abstand. Seine gestreckten Arme zitterten unter dem Ansturm gewaltiger Zähne, die dicht vor seinem Gesicht schnappten. Das Gleichmaß der Kräfte sorgte für eine Starre aus geballten Muskeln. Der Wolf jaulte seine Frustration heraus, als er das Kinn seines Gegners abermals knapp verfehlte, obwohl er diesen unter seinem Gewicht begraben hatte.
    Mica riss den Mund auf, aber anstelle eines Hilfeschreis stieß er das Fauchen einer Großkatze aus. Entsetzen gewann die Oberhand, als Florine seine Fänge sah. Lange, spitze Zähne, die aus Micas Mund ragten. Das war zuviel. Sie stolperte aus dem Raum in einen langen Gang. In seinem Zwielicht führte eine Treppe nach unten. Die ersten Schritte taumelte sie darauf zu, dann wurden ihre Schritte länger, und sie flog schier die Stufen hinab. Das Ende des Kampfes wollte sie nicht kennen. Sie wollte nichts gesehen haben von dem, was ihre Vorstellungen der ihr bekannten Welt sprengte. Im Erdgeschoss angelangt rannte sie in das erstbeste Zimmer, riss ein Fenster auf, öffnete die Haken der Läden und stieß sie nach außen. Die windstille Hitze einer Sommernacht strömte herein. Mit einem gewagten Satz sprang sie aus dem Fenster rollte sich in einem Beet ab und rannte so schnell sie konnte davon.
    Paris war nicht weit. Sie konnte die Mauern der Stadt in der Dunkelheit sehen. Dahinter war sie sicher, in den kleinen verwinkelten Gassen ihrer Kindheit konnte sie jedem entkommen, und im Haus von Madame Balbeuf konnte sie sich bis zum Morgen verstecken. Nie hatte sie für möglich gehalten, dass sie aus freiem Willen das Findelhaus noch einmal betreten würde – aber vor dieser Nacht voller Grauen hatte sie sehr vieles nicht für möglich

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