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Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes

Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes

Titel: Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Wegner
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stieß Madame Chrysantheme beiseite und eilte davon. Das Paradies an den Wänden konnte ihm samt seiner Grazien gestohlen bleiben. Einer der ältesten Vampire dieser Welt war zum Mäzen eines Bordells verkommen, Cassian suhlte sich in seinem Kummer, und Juvenal verging schier vor Durst, der alles war, was er aus Versailles zurück nach Paris brachte.

     
    An Wissen hatte Florine dazu gewonnen, obwohl sie die große Bibliothek in Micas Haus noch nicht betreten hatte. Sie konnte davon ausgehen, niemals ein Buch aufschlagen zu müssen, schließlich redete der Vampir wie ein Wasserfall. Mittlerweile war sie in die Verhältnisse am Königshof eingeweiht, kannte die politische Situation innerhalb und außerhalb Frankreichs und hatte einen ersten Exkurs über die wichtigsten Philosophen und deren Theorien über sich ergehen lassen müssen. Neue Erkenntnisse in den Grundregeln der Mathematik und der physikalischen Gesetzmäßigkeiten besaß sie nun ebenfalls.
    Die größte Erkenntnis betraf jedoch die Vampire. Wer hätte geahnt, dass diese mörderischen Nachtgeschöpfe unter einem enervierenden Redezwang litten? Wenn Mica einmal nichts zu sagen hatte, rezitierte er Gedichte oder glänzte mit seinem Repertoire an Balladen. Seine Singstimme war berückend, sein Lachen bestrickend. Er lachte überhaupt sehr viel. Nicht, dass es ihm etwas helfen würde. Sie dachte nicht daran, seinem Charme zu erliegen. Obwohl er sich zwischen sie und einen Namenlosen gestellt und ihr dasLeben gerettet hatte, löste seine Gegenwart unterschwelligen Ärger in ihr aus. Sie wusste nicht, wie Mica es anstellte, in seiner Nähe kribbelten ihre Fingerspitzen und Fußsohlen. Es fühlte sich an wie der Aufenthalt inmitten niedergehender Gewitterblitze, unter denen gelegentlich sogar ihr Haar zu knistern schien. Damit nicht genug, haderte sie mit sich selbst. Ein wenig Dankbarkeit für ihre Rettung hätte sie wohl aufbringen sollen, aber dazu war sie nicht imstande. Stattdessen schöpfte sie aus dem Vollen, da sie den festen Vorsatz gefasst hatte, den Vampir binnen kürzester Zeit finanziell zu ruinieren, in der Hoffnung, er würde ihre Abmachung bereuen und sie zu Madame Chrysantheme zurückschicken. In Begleitung Saint-Germains, der ihr auf Schritt und Tritt folgte, ging sie auf große Einkaufstour und plünderte die Ladengeschäfte von Paris. Den Rest des Tages erstellte sie Listen für die nächste Tour. Jeden Abend las sie Mica daraus vor, doch je länger die Liste war, desto verzückter strahlte er sie an. Sein Reichtum musste sagenhaft sein, da die kalten Schweißausbrüche, die sie hervorrufen wollte, ausblieben. Es schien ein unmögliches Unterfangen, ihn in den Bankrott zu treiben. Er gab allem statt, ohne eigene Ansprüche oder Bedingungen zu stellen. Sein Verhalten war sehr eigenartig. Ihre Räumlichkeiten hatte er noch nicht betreten, zweideutiger Anmerkungen enthielt er sich und selbst der Schmelz in seiner Stimme schien nicht darauf ausgerichtete, sie stracks in sein Bett zu zwingen. Ein Vorstoß auf ihren Hals blieb aus, und allmählich geriet ihre Furcht davor in den Hintergrund. Im Grunde war sie von dem Vampir in ein Schlaraffenland entführt worden, nur um festzustellen, dass dieses ihr nicht wirklich etwas zu bieten hatte, außer die Muße, ihre Schuldgefühle zu hegen.
    Wie jeden Abend, seitdem sie das Haus bezogen hatte, saß Florine vor erlesenen Speisen. Saint-Germain war nicht zugegen, da seine Gegenwart ihr den Appetit verdarb. Dieser Narr nannte sie nicht mehr kleine Mamsell, sondern Durchlaucht. Trotz dieses Aufstiegs in seiner Anerkennung mochte sie den Comte nicht. Mica saß bei ihr, vor sich ein Glas Wein, das Einzige, was er offenbar an Nahrung außer Blut zu sich nehmen konnte, und schien erpicht auf eine weitere Aufzählung all der Dinge, die ihn ein kleines Stück ärmer machten.
    »Du starrst mich an«, hielt Florine ihm ohne jede Scheu oder gar Furcht vor. »Soll ich dir sagen, wonach die Austern schmecken oder störst du dich an meinen Sommersprossen? Eines ist sicher, gegen diese Verschandelung kann dein ganzes Geld nichts ausrichten.«
    »Es sind entzückende kleine Pünktchen und keine Verschandelung«, erwiderte er und nippte in aller Seelenruhe an seinem Wein.
    »Mir ist nicht entgangen, dass es sehr leicht fällt, dich zu entzücken. Eine neue Kommode reicht aus, um dich in Verzückungsstürme zu versetzen.«
    Er lächelte noch immer, doch der Glanz in seinen Augen warnte sie, es nicht auf die Spitze zu

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