Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes
Lippen rosig geschminkt und der dunkel umrandete Blick ins Leere gerichtet. In den glasigen Augen stand Entrückung. Auf Florine gerichtet nahmen sie sie doch nicht wahr. Der Zustand der Dame äußerte sich in gestammelten, unverständlichen Worten. Mica kauerte über ihr, den Kopf an ihrem gestreckten Hals verborgen. Er trank das Blut seiner Quelle und zweifelsohne war diese damit einverstanden, da sie gleichzeitig von ihm beschlafen wurde. Einen anderen Ausdruck gab es dafür nicht. Von Liebe, gar Zärtlichkeit waren Micas Stöße nicht bestimmt, dazu waren sie zu kraftvoll, wenn nicht gar schmerzhaft. Bei jedem Stoß schnappte der Mund der Dame auf. Jäh verdrehten sich ihre Augen, ob durch Lust oder zunehmende Blutarmut war ungewiss.
Im Grunde war es einerlei. Micas Vorgehen, seine langsamen Bewegungen, die Gewalt darin und der Anblick seines Körpers waren erschütternd und ernüchternd. Seine geballten Muskeln waren die eines Mannes, und trotzdem war zu erkennen, dass er kein Mensch war. Auf dem Bett bewegte sich ein Block aus Marmor, die Haut sehr hell, bar jeglicher Körperbehaarung und sogar jeglichen Leberfleckchens. Jeder Makel fehlte in dieser Glätte, die von der anderen Frau liebkost wurde. Ihre Hände hoben sich dunkler von der reinweißen Haut seines Rückens ab, glitten über kräftige Beine, hinauf zu seinen Hoden. Ihre Bewegungen waren fließend, passten sich seinem Rhythmus an und kannten keine Eile. Es war ein Tanz aus sich windender Glieder und gerade das Gleichmaß daran machte die Orgie zu einer Obszönität, die Florine in dieser Form noch nie gesehen hatte – und sie hatte bei Madame Chrysantheme wahrlich alles gesehen. Es war abstoßend und gleichzeitig irgendwie anziehend.
Micas Gespielin begann sich zu winden und zu drehen, und als er sich zurückzog und sie der Stütze seines Armes beraubte, fiel sie bäuchlings in die Matratze. Schauder zogen durch ihren Körper, während sie keuchend liegen blieb und nicht weiter beachtet wurde. Mica wandte sich der anderen zu, die in seine Arme sank, als könnte sie es nicht erwarten, das Schicksal ihrer Freundin zuteilen. Florine sah einen Blutstropfen an Micas Unterlippe. Der Frau konnte es ebenfalls nicht entgehen, doch es hinderte sie nicht daran, sich von ihm in die Laken ziehen zu lassen. Sie setzte sich auf ihn, seine Hand drückte sie am Hinterkopf tiefer, und Florine wusste, dass seine Zähne durch Haut und Fleisch brachen und er zu trinken begann. Und während er dies tat, seiner Gespielin das Blut raubte, pumpte diese hektisch ihr Becken auf und ab.
Von der eigenen Faszination angewidert, die sie an Ort und Stelle gehalten hatte, riss Florine sich von dem Anblick los und machte einige Schritte zurück. Noch immer klebte ihr Blick an dem Samtvorhang, hinter dem nun kleine Aufschreie hervordrangen. Diese Laute, lustvoll und irgendwie auch verzweifelt, brachten sie zur Besinnung. Sie rannte so schnell sie konnte zurück zu der Treppe nach oben. Ohne ihren Lauf zu bremsen, warf sie sich gegen die Tür und kümmerte sich nicht um den verräterischen Laut, mit dem sie ins Schloss fiel. Auf diese Weise wollte sie nicht enden, zitternd und von Verlangen gebeutelt in den Armen eines Vampirs.
Hinter der Ekstase der Frauen hatte sie mehr erkannt: den Willen, sich vollständig auszuliefern, die Bereitschaft, das eigene Blut zu geben für einige Augenblicke überwältigender Lust. Zweifelsfrei stand fest, dass die beiden Hofdamen sogar bereit gewesen wären, ihr Leben für ihn zu lassen. Es war mehr als ein schlüpfriges Spiel zwischen einem Mann und zwei Frauen. Es war die Macht eines Vampirs, die vollständige Unterwerfung unter seinen Willen. Vermutlich würden die Damen beschwingt und verklärt das Haus verlassen, ohne zu ahnen, was ihnen zugestoßen war.
Das Geschehen hatte Florine einen gefährlichen Abgrund gezeigt, und er schien unausweichlich. Früher oder später würde sie in diesem breiten Bett landen und am eigenen Leib erfahren, was sie soeben gesehen hatte. Ein Teil von ihr fragte sich, wie es wohl sein würde, aber der größere Teil in ihr wollte es soweit nicht kommen lassen. Noch konnte sie frei wählen – und das würde sie. Keine Sekunde länger wollte sie bleiben, ob Mica sich nun ihr Vater nannte oder nicht. Sie war sich sicher, dass es an dem ihr zugedachten Schicksal nichts ändern würde.
Ohne etwas mitzunehmen verließ sie das Haus. Sie lief über das aufgeheizte Pflaster, durch den Gestank der Gossen, der in der
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