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Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes

Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes

Titel: Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Wegner
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der Umstehenden versperrten ihm den Blick auf die Asche. Er musste es auch nicht länger sehen, dieses Bild der Verwüstung, in dem Aurora untergegangen war. Stattdessen beschwor er ein Nonnenhabit herauf, ein Gesicht voller Neugierde umgeben von einem Nonnenschleier. Graue Augen, die sich auf ihn richteten. Er sah die Braut, die auf ihn zugekommen war, die hellen Locken kurz und wirr. Er sah das Mädchen in einem lächerlich weiten Nachthemd und die Geliebte in seinen Armen. Bild nach Bild blitzte in ihm auf, eingebrannt in seine Erinnerung. Mechanisch drehte er den Dolch in der Hand, richtete die Klinge auf sich selbst und fasste den Griff mit beiden Händen. Die scharfe Spitze richtete sich auf sein Herz. Aurora würde nicht lange ohne ihn sein. Wo immer sie war, er würde ihr nachfolgen. Schon zu oft hatte er dem Tod gegenübergestanden, um sich vor diesem Schritt zu fürchten, und er hatte ihr geschworen, sie niemals zu verlassen.
    „Ruben?“
    Die Klinge rutschte ab, schnitt über die Haut seines Brustkorbs und fiel aus seinen Händen. Warm floss das Blut aus dem ätzenden Schnitt, rann über seine Rippen, nässte seinen Bauch. Der Schmerz klärte seine Sinne.
    „Ruben!“
    Er blinzelte, richtete sein Augenmerk zurück auf die Menge und gewahrte zwischen ihren Beinen eine Bewegung in der Asche. Eine Gestalt setzte sich auf. Flocken bedeckten sie, rieselten an ihr herab. Tizzio johlte laut.
    „Das ist mein Mädchen! Das ist unsere Strega! Es lebe Aurora! Es leben die Braglia!“
    Das Rudel heulte und jaulte in seinen Triumphschrei hinein, während Tizzio sich vorbeugte, die Gestalt tätschelte und abklopfte. Staub und Asche flogen auf. Die Wölfe begannen zu husten und wichen etwas zurück, gaben Ruben die Sicht frei auf Aurora. Sie war es! Bestäubt von den Überresten der Larvae wischte sie sich die Augen. Dann schrie sie so laut, dass ihre Stimme kippte.
    „Ruben!“
    Sie lebte! Leicht schwankend kam er auf die Füße, erschlagen von ihrem Anblick. Sie war am Leben! Ihr Kopf wandte sich suchend nach allen Seiten. Tizzio half ihr auf, schloss sie in eine Umarmung und schmetterte den Sieg ein weiteres Mal in die Runde. Alle umringten Aurora, wollten sie berühren, lachten. Nur Ruben stand einfach nur da und sah zu. Aurora schob Tizzio von sich.
    „Wo ist er? Was ist mit ihm? Das Feuer … hat das Feuer ihn …?“
    Sie verstummte. Tränen zogen eine feuchte Spur durch die Asche in ihrem Gesicht.
    „Ich bin hier“, murmelte er und wiederholte es lauter. „Ich bin hier!“
    Aurora taumelte, tastete vor sich ins Leere. Ihre Augen waren geweitet, schienen blind ins Nichts gerichtet. Er lief auf sie zu, rannte nahezu in sie hinein und riss sie an sich. Ihr Körper an seinem, ihr Herz schlug an seine Brust, ihr Atem streifte sein Ohr. Er legte sich um sie wie die harte Schale einer Muschel um das weiche Innere.
    „Du lebst“, keuchte er immer wieder hervor.
    Ihre Arme krampften um seinen Nacken, so fest klammerte sie sich an ihn. Sie begann zu weinen. Er küsste ihre Tränen fort, ungeachtet des Geschmacks von Fäulnis, den Rückständen der Larvae. Es war ihm gleich, wonach seine Gefährtin schmeckte, wonach sie roch. Er hatte sie nicht verloren.
    „Du bist nicht in Deckung gegangen … und das Feuer … Ich dachte, du wärst verbrannt.“
    „Ich bin bei dir, Süße. Dein Schwert und Schild, so gut ich es vermag.“
    Ihre Fingerspitzen berührten sein Gesicht. Die Stirn, die Wange, die Nase, seinen Mund.
    „Weinst du?“
    „Ja“, gab er zu, ohne sich dessen zu schämen.
    Er hielt sie fest, streichelte über ihre Arme, die Schultern, an ihrem Rücken entlang. Sie war heil und ganz.
    „Ruben, ich kann nichts sehen“, hauchte sie matt.
    Ein neuer Kloß ballte sich in seiner Kehle. Er schluckte hart, forschte im Grau ihrer Augen und traf auf Nebel, der ihre Pupillen tilgte.
    „Du wirst wieder sehen können, sobald du dich erholt hast“, versprach er ihr und hob sie in die Arme.
    Vielleicht war es eine Lüge, er wusste es nicht. Das Hexenfeuer war grell gewesen, hatte sie alle geblendet, und Aurora hatte im Zentrum gestanden, während das Feuer durch sie hindurchgeflossen war.
    „Mir ist kalt“, murmelte sie undeutlich.
    „Ich bringe dich ins Warme.“
    Erst jetzt wurde er sich der Umstehenden bewusst. Das Rudel hatte sich um Tizzio versammelt und seine Jubelrufe eingestellt. Selene hatte die Mundwinkel zu einem Lächeln voller Wehmut gehoben. Mica sah unter sich, und Berenike beobachtete ihn

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