Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes
zusammen. Das leise Wispern gehörte nicht zu Ruben, denn er war noch immer im Nebenraum, das verriet ihr das Geräusch des plätschernden Wassers. Langsam drehte sie den Kopf zur Seite.
„Tizzio?“
„Ich musste dich sehen, mich vergewissern, dass es dir gut geht. Er hat uns alle vor die Tür gesetzt, um dich uns zu entziehen.“
Sein Atem streifte heiß über ihre Wange. Er war ihr viel zu nah, ein Störenfried in ihrer Behaglichkeit. Weshalb pirschte er durch sein eigenes Haus wie ein Dieb? Sollte sie nach Ruben rufen?
„Meine Sorge um dich bringt mich fast um, kleine Raupe.“
Seine Hand legte sich auf ihren Kopf. Schwer. Besitzergreifend. Sie ruckte an den Decken, fühlte sich hilflos, und trotzdem rief sie nicht nach ihrem Gefährten. Ruben hatte sich genügend aufgeregt für eine Nacht.
„Es gibt keinen Grund zur Sorge.“
„Du weißt nicht, wovon du sprichst. Ich trage die Verantwortung für dein Wohlergehen. Meine Sorge um dich begleitet mich seit vielen Jahren. Und jetzt erst recht. Dieser … dieser Sauhund ist deiner nicht wert. Er schwelgt im Ruhm seines Vaters, suhlt sich im Namen seiner großartigen Sippe, aber er bleibt ein Niemand, der dir nichts bieten kann. Schamlos wird er dein Gebrechen ausnutzen.“
Tizzio sprach fiebrig, gehetzt. Seine Finger spannten sich um ihren Kopf, als wollte er ihr das Gift seiner Worte ins Gehirn pressen. Sie spreizte die Ellbogen, stieß mit den Füßen, um sich aus dem Nest der Decken zu befreien. Das alles waren Lügen. Sie war eingebettet in Liebe. Niemand durfte sie mit Füßen treten.
„Bleib ganz ruhig. Ich werde aufpassen, dass dir nichts geschieht. Du gehörst ihm nicht, egal, was er behauptet. Alles lässt sich regeln.“
Sie schüttelte den Kopf, um seine Hand abzuwehren. Es gelang ihr nicht. „Du musst nichts regeln. Außerdem habe ich kein Gebrechen“, zischte sie leise.
„Wir wollen nichts heraufbeschwören, meine kleine, blinde Raupe.“
„Ich bin nicht …“
Seine andere Hand legte sich auf ihren Mund, drückte die Worte zurück. Jetzt hätte sie nach Ruben gerufen und konnte es nicht mehr. Tizzio zischelte in einem fort auf sie ein.
„Du bist ein hilfloses, gefundenes Fressen für ihn geworden. Ich kenne die Garou. Treue ist ihnen fremd. Sie sind unersättlich, brauchen Weiber wie die Luft zum Atmen. Eine ist ihnen nie genug. Was denkst du, weshalb sein Bruder in Paris die Füße stillhält? Weil der Vampir ihm den Kopf abreißen würde, sollte er seine Gefährtin betrügen. Aber du musst auf den Schutz eines solchen Vaters verzichten. Ruben würde dich hintergehen, seine Affären in sein Haus holen, direkt unter deine Nase, und dir würde es entgehen, weil du nichts davon sehen könntest. Dieser Hundsfott wird dein Herz brechen. Bleib bei mir, Aurora. Bekenne dich zu mir!“
Endlich bekam sie einen Arm frei und wischte durch die Luft. Sie traf Tizzio nicht und schob die Augenbinde über ihren Kopf. Schlieren empfingen sie. Diesmal rührten sie von der Salbe, die auf ihren Lidern klebte und ihr die Sicht nahm. Sie wischte mit der Binde darüber und fixierte Tizzio. Sein rotes Haar stand kurz und borstig von seinem Kopf ab. Anstatt aufrichtiger Sorge entdeckte sie Anspannung und unterdrückte Feindseligkeit in seiner Miene. Es ging ihm nicht um ihre Sicherheit. Darum war es ihm nie gegangen.
„Ich bin nicht blind, und selbst wenn, wäre ich nicht dumm genug, um dir zu glauben.“
Sie schlug nach seiner Hand. Ihr Hieb verharrte in der Schwebe, aufgehalten von einem tiefen, unguten Knurren. Die Drohung darin richtete ihre Nackenhärchen auf, obgleich sie nicht ihr galt.
„Zurück! Fass sie nicht an!“
Sie blinzelte, rieb über ihre Augen. Diese verflixte Salbe! Endlich erlangte die Welt ihre Konturen zurück. Rubens wutverzerrte Züge offenbarten seine wahre Natur, verstärkt durch sein nasses, straff zurückgekämmtes Haar und seine Blöße. In diesem Moment war er roh, gewaltbereit. Seine Nacktheit, bar jeder Erotik, zeigte hervorspringende, zum Sprung angespannte Muskeln. Instinktiv zog sie den Kopf ein, während Tizzio sich aufrichtete und keinen Schritt zurückwich.
„Sie ist nicht deine Gefährtin, denn sie riecht nicht nach dir.“
Dieses Argument besaß einen gewaltigen Pferdefuß. Natürlich roch sie nicht nach Ruben. Die Larvae hatten seine Marke getilgt. Sie roch nach Seife, aber das änderte nichts an ihrer Zugehörigkeit. Sie öffnete den Mund und klappte ihn wieder zu. Dies war nicht ihre
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