Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes
Männer. Der Nachtwind spielte mit langen, kupferfarbenen Locken. Ruben saugte sich an ihrem Anblick fest. Sie war atemberaubend schön.
Er ritt durch die Zedern auf die Versammlung zu. Das Knirschen der Pferdehufe auf dem Weg klang in der Stille unnatürlich laut. Alle drehten sie ihm die Köpfe zu, ohne sich aus ihrer Versteinerung zu lösen. Knapp am Rande des Lichtkreises zog er die Zügel an. Schmale Augen taxierten ihn, ohne etwas preiszugeben, stempelten ihn zu einem Störenfried ab. Tizzio war der Erste, der sich aus seiner Starre löste. Sein Wutschrei gellte über den Aventin.
„Das ist zu viel! Schnappt euch diesen Wilderer. Packt ihn und ertränkt ihn im Tiber. Lange genug ist er in meinem Revier herumgestreift!“
Bewegung kam in die Wölfe. Ruben zog eine Peitsche aus der Halterung am Sattel und erwartete sie. Sein Pferd begann zu tänzeln. Entschieden hinderte er es am Ausbrechen. Der Hengst fühlte sich bedrängt, schlug mit den eisenbeschlagenen Vorderhufen aus. Ruben gab Zügel. Ein Huf traf einen Wolf in die Seite. Die Peitsche entrollte sich und schlug auf behaarte Wolfsrücken und weniger behaarte Männer ein, um sie auf Abstand zu halten. Im Auskeilen drehte sich der Rotschimmel und schaffte Platz. Ruben stieß seinen Fuß in ein Gesicht, versetzte einer Stirn einen Striemen, schmetterte die Faust auf einen Schädel. Von allen Seiten griffen sie nach ihm. Schnell wurde er zum Mittelpunkt eines Tumults, über den er die Übersicht verlor.
Mit einem schrillen Wiehern stieg sein Pferd auf die Hinterhand. Die Männer schnellten vor, packten seine Beine, krallten sich in seine Jacke und zerrten ihn aus dem Sattel. Seine Peitsche wurde nutzlos. Er kämpfte mit den Fäusten weiter, drosch auf alles ein, was sich bewegte. Staub nahm ihm die Sicht, Hiebe und Tritte trafen ihn, Wolfszähne gruben sich in seine Waden und brachten ihn zu Fall. Je heftiger er um sich schlug, desto enger wurde es. Unter dem Gewicht seiner Angreifer drohte er zu ersticken. Er rollte sich zusammen, um die Schlägerei irgendwie zu überstehen.
Die Peitsche, die er verloren hatte, sirrte und zischte durch die Luft, geführt von einem gnadenlosen Arm. „Zurück! Weicht zurück, sage ich!“
Der Befehl schnitt ebenso wie die Peitsche mitten in die aufgebrachten Männer und trieb sie auseinander. Nicht länger von etlichen Händen am Boden gehalten, erhob sich Ruben aus dem Staub. Seine Rippen schmerzten, er schmeckte Blut im Mundwinkel. Mit dem Handrücken wischte er es fort. Mica stand vor ihm, locker die Peitsche in der Hand, so elegant und edel in seinem Anzug, als habe er einen Ball besucht. Der Vampir zeigte keine Begeisterung, ihn hier zu sehen. Vielmehr schien seine Miene zu Eis gefroren, während er sich den Wölfen zuwandte.
„Dies ist ein Bruder von Cassian de Garou. Zwischen seiner Sippe und mir besteht ein Bündnis. Niemand rührt ihn an!“
Immerhin schien dieses Bündnis etwas zu gelten. Ruben war nicht sicher gewesen. Wutentbrannt stiefelte Tizzio auf ihn zu und spie ihm vor die Füße.
„Vom Herumtreiber zum Verräter ist der Weg nicht weit! Du und deine Sippe haben jedes Ehrgefühl vergessen. Cassian verbindet sich mit der Tochter eines Vampirs, und dein Vater ist nicht eingeschritten. Für diesen Verrat gegen die Sippen verdient ihr alle den Tod. Ihr gehört nicht länger zu uns. Ihr seid Aussätzige!“
So viel zu der Wahrscheinlichkeit, die roten Wölfe von einem friedlichen Miteinander zu überzeugen. Ruben nahm die Schmähung hin, ohne zu widersprechen. Er selbst hätte gleichfalls auf ein Bündnis mit Mica verzichten können. Sein Blick schweifte zu Selene. Sie kam näher. Berührten ihre Füße überhaupt den Boden? Sie schien zu schweben, umweht von einem leichten Sommergewand, das von einem breiten Band unter ihren Brüsten gehalten wurde. Ein Traum, der den Hauch einer Meeresbrise mitbrachte. Tief sog er ihren Duft ein.
„Du hältst mich mit Kinkerlitzchen auf, Tizzio. Hier geht es nicht um irgendeinen Streuner oder deinen Begriff von Ehre. Was weißt du über den Verbleib meiner Tochter? Rede endlich.“
Anklagend wies Tizzio auf Ruben. „Er hat hier nichts zu suchen!“
„Du strapaziert meine Geduld mit Nichtigkeiten“, Selene sprach bedrohlich leise. „Ich will wissen, was mit meiner Tochter ist. Wer hat sie in seiner Gewalt?“
Ruben konnte sich nicht abwenden von dem perfekten Oval, das sich Tizzios Gesicht näherte. Ihre Anmut bezauberte ihn. Mica riss ihn aus seiner
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