Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes
traumartigen Lähmung.
„Ich hoffe, der Zufall führt dich nach Rom.“
„Cassian schickt mich. Ich soll dir zur Seite stehen bei deinem Bestreben, das Bündnis auszuweiten. Er möchte, dass ich Tizziodavon überzeuge.“
Helle Brauen zogen sich zusammen. Der Vampir bedachte ihn mit einem Blick voller Abneigung und hob die Stimme, um die beiden Streithähne aufzurütteln.
„Wir vergeuden unsere Zeit mit diesem Zank, anstatt Klarheit zu schaffen und Maßnahmen zu ergreifen. Lasst uns ins Haus gehen.“
Das Rudel brummelte. Ihren ersten Groll hatten sie an Ruben ausgelassen, und ihre Kehlen waren trocken.
„Diese Horde wird nicht durch mein Haus trampeln“, lehnte Selene eisern ab. „Tizzio mag eintreten, sofern er es überhaupt wagt.“
Ruben starrte auf ihre erdbeerroten Lippen, die sich zu einem herausfordernden Lächeln wölbten. Ein höllisch harter Schlag musste seinen Kopf getroffen haben, wenn allein der Anblick ihres Mundes ihn benommen machte.
„Pah, ich kenne dich zu lange, um dich zu fürchten, Lamia.“
Großspurig winkte Tizzio ab und marschierte allen in das Haus voran. Nach einem kurzen Blickwechsel folgten Selene und Mica. Ob die Einladung auch ihm galt oder nicht, Ruben wollte sich nicht ausschließen lassen oder sich mit dem Rudel vor dem Haus herumdrücken. Durch den offenen Schlund des Portals betrat er zum ersten Mal in seinem Leben den Hort einer Lamia.
Das Atrium war der Kern der Villa. In seinem Zentrum befand sich ein Fischbecken. Sitzgruppen waren über die Weiten des Raumes verteilt. Die niedrigen Liegen erinnerten an das römische Imperium. Terrazzoplatten bildeten am Boden ein verworrenes Ornament um das Bildnis einer heidnischen Gottheit, deren Haupt von Hörnern gekrönt war.
Ein Diener in einem weiten Kaftan schenkte Wein aus und verschwand so lautlos, wie er gekommen war. Während Tizzio sich vorsichtig auf der Kante einer Liege platzierte, sank Ruben schwer in eine andere Liege hinein, dankbar für die Kissen, die seinen geschundenen Leib auffingen. Über den Rand seines Glases musterte er Selene. Ihre Haut war wie frisch gefallener Schnee und leuchtete matt von innen heraus. Sie schien aus Sternenstaub geboren. Eine ätherisch wirkende Gestalt, ein perfektes Gesicht mit großen Augen, Feuerlocken, die bis zur Taille flossen. All das machte sie zur fleischgewordenen Versuchung. Das tödlichste aller Geschöpfe war gleichzeitig das schönste. Sie löste ein sehnsüchtiges Ziehen in seinem Unterleib aus. Kein Wunder, da er seit einigen Tagen zu der Enthaltsamkeit eines Mönchs gezwungen gewesen war. Jede halbwegs hübsche Frau hätte ähnlich auf ihn gewirkt.
„Also, Tizzio“, forderte sie eine Antwort.
Nervös drehte der rote Wolf sein Glas in den Fingern. „Ich fürchte, ich weiß, was Saphira und wohl auch deiner Tochter zugestoßen ist. Sagt dir der Name Aurora Braglia etwas?“
„Selbstverständlich. Willst du etwa behaupten, sie sei schuld am Verschwinden meiner Tochter? Er weiß nichts, Mica.“
„Aurora ist der Schlüssel zu allem“, begehrte Tizzio heftig auf. „Ja, sie ist schuld. Sie und ihre verdammenswerte Gilde. Du weißt, was die Braglia heraufbeschworen haben. Du hast die Hexen am Ende gar brennen sehen. Aurora wird verfolgt, und Saphira musste dafür büßen.“
„Erspare uns diese langatmige Salbaderei. Komm zur Sache!“
Tizzio zog die Stirn kraus und packte sein Glas so fest, dass es knirschte. „Es waren die Larvae.“
Ein Ruck ging durch Selene. Dann wurde sie zu Marmor. Selbst ihre Augen verloren an Leben. Ohne zu blinzeln, scheinbar sogar, ohne zu atmen, saß sie da. Schöner denn je. Schließlich krallte sie ihre langen, spitzen Fingernägel in ein Kissen.
„Du lügst!“
„Ich sage die Wahrheit, soweit sie mir bekannt ist“, brüllte Tizzio.
„Was sind Larvae?“, schaltete Mica sich ein und setzte sich neben Selene.
„Die Seelen der Verfluchten“, sagten Selene und Tizzio aus einem Munde. Dumpf hallte es durch das Atrium.
„Zur Hölle damit. Geht es auch etwas eindeutiger?“, zischte Mica ungehalten.
„Du warst nicht mehr in Rom, als es geschah, mein Sohn. Die drei Gilden Roms hatten einen schweren Verlust zu erleiden. Ihre Oberhäupter wurden verraten und brannten auf dem Scheiterhaufen. Mit ihrem letzten Atemzug verfluchten sie ihre Verräter. Seitdem gehen die Larvae in Rom um.“
In die Rolle des Zuhörers gedrängt, wurde es für Ruben immer unverständlicher. Von verfluchten Seelen, die in Rom umgingen,
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