Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes
sich nicht vom Fleck bewegt. „Das ist eine Sache zwischen diesem räudigen Wolf und mir. Er hat meine Tochter geraubt, dafür töte ich ihn.“
„Du bist es, die sterben wird, Lamia! Wo ist Saphira?“
Die Wölfe rückten enger zusammen. Ein einstimmiges Knurren schwoll in den Nachthimmel. Die Vehemenz ihres Oberhauptes machte ihnen neuen Mut. Sie verteilten sich, um Selene und Mica einzukesseln. Jeden Einzelnen sah Mica an, drang in ihre Seelen vor, baute darauf, dass sie noch jung waren und er einst ihr Gott. Vor langer Zeit hatte es einen Unterschied gemacht.
„Schweigt.“
Sie verstummten. Einer der Wölfe winselte. Erstaunlich, aber wahr, er besaß noch immer einigen Einfluss. Dieses Rudel war groß, aber es schien nicht besonders stark zu sein. Besänftigend lächelte er in die Runde, ehe er sein Augenmerk auf Tizzio richtete. Der rote Wolf war blass.
„Wer ist Saphira?“
„Meine Gefährtin.“
„Und du vermutest sie hier. Ist sie hier, Mutter?“
„Was kümmert mich eine Rudelwölfin? Seine Gefährtin ist nicht einmal eine Alpha.“
Tizzio wagte einen Schritt auf sie zu und wurde von Mica gebremst. „Du vermisst deine Gefährtin und wir vermissen eine junge Lamia. Offenbar sind beide verschwunden. Was sagst du dazu?“
„Von einer weiteren Lamia in Rom weiß ich nichts. Das alles sind Finten, um mich für dumm zu verkaufen.“
„Fragt euch lieber, wer es wagen würde, sich an der Gefährtin eines Alphawolfes und der Tochter einer Lamia zu vergreifen, anstatt euch gegenseitig zu verdächtigen“, rief Mica über die Köpfe hinweg. Allmählich erlangte er Kontrolle über die Wölfe. „Ein Sterblicher? Das wäre sehr unwahrscheinlich. Also, wer könnte es sein, wenn ihr es nicht wart? Fällt euch dazu etwas ein?“
Selene wies auf Tizzio. „Er lügt. Das fällt mir dazu ein!“
Abermals war ein Knurren zu hören, dumpf und anhaltend. Der Pulk aus Männern und Wölfen schloss sich enger. Mica drohte, die Kontrolle über sie zu verlieren und spannte sich an. Zu seinem Erstaunen bellte Tizzio in die Runde.
„Schnauze! Ich bin kein Lügner. Deine Tochter ist mir unbekannt. Hier geht es nicht mit rechten Dingen zu. Eine Ahnung hatte ich bereits. Aber das wäre fatal.“
„Rede nicht um den heißen Brei herum. Wo ist Berenike?“, giftete Selene.
Tizzio schüttelte den Kopf, sah unter sich. Mica witterte einen bitteren Hauch von Niederlage. Der Kampf war beendet, ehe er beginnen konnte. Seine Erleichterung hielt so lange an, bis der Werwolf wieder zu reden begann.
„Wenn meine Vermutung zutrifft, sind sie verloren. Alle beide. Es wäre ihr Ende.“
Stille senkte sich herab, von nichts durchbrochen und alles andere als friedvoll. Sie legte sich um das Haus, den Garten, wollte den gesamten Aventin einsaugen. Mica unterdrückte einen Schluckreiz. Krieg stand bevor, nur wusste er noch nicht, gegen wen er sich richten würde.
Jeder Werwolf wusste, wo Selene in Rom residierte. Der Aufenthaltsort einer der ältesten Angehörigen eines ohnehin sehr alten Volkes war kein Geheimnis. Seine Abstecher in die Stadt am Tiber hatten Ruben bisher nicht auf den Aventin geführt. Zu wissen, wo sich ein Gegner niedergelassen hatte, hieß nicht unbedingt, dass ein Alphawolf ihm begegnen wollte. Eine Lamia ohne den Rückhalt eines Rudels anzugreifen wäre blanker Selbstmord. Anders als Vampire besaßen sie außer ihrer Körperkraft noch andere Mittel, um ihre Feinde in die Knie zu zwingen.
Die Nacht war hereingebrochen, als er durch die Grünanlagen des Aventin auf die abgelegene Villa zuritt. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in seinem Magen aus. Ob Mica nun ein Verbündeter war oder nicht, Fakt blieb, dass Ruben sich der Übermacht einer Lamia und eines Vampirs aussetzen würde. Zum ersten Mal näherte er sich einem Feind in friedlicher Absicht und ohne abschätzen zu können, was ihn erwartete. Das alte Volk setzte sich aus Mördern zusammen, sein Vertrauen in ihre Friedfertigkeit war gering.
In einiger Distanz zur Villa zügelte er seinen Rotschimmel. Durch die Zweige der Zedern sah er Feuerschein vor einer hellen Hausmauer. Nichts hatte ihn auf die Männer vor dem Haus einer Lamia vorbereitet. Männer mit rotem Haar in allen Schattierungen, dazwischen Wölfe mit rötlichem Fell. Sie waren zu Salzsäulen erstarrt. Unter ihnen stand ein goldblonder Mann. Mica. Der Vampir überragte sie, stempelte sie zu gedrungenen Bauern ab. Und neben ihm war eine Frau. Ein strahlendes Juwel inmitten der
Weitere Kostenlose Bücher