Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes
hatte er weder gehört noch war er einer begegnet. Es hatte etwas Unwirkliches, dieses Atrium. Hier saß er gegenüber einer Lamia und einem Vampir, während die Unterhaltung sich um Flüche drehte. Und als sei das nicht irrwitzig genug, kam auch noch eine Hexe hinzu.
„Hast du mit der Strega über deinen Verdacht gesprochen, Tizzio?“
„Sie wollte es nicht bestätigen“, knurrte Tizzio und bedachte Ruben mit einem Blick, als sei es seine Schuld. „Sie wollte mir einreden, meine Gefährtin sei mit einem anderen durchgebrannt. Aurora ist die Einzige, die die Larvae zu sich locken kann. Sie könnte sogar ihr Versteck aufspüren. Aber sie weigert sich, mir zu helfen.“
„Sie wird sich nicht mehr lange weigern. Sag mir, wo ich sie finde und ich bringe sie zur Vernunft.“ Selenes Stimme klirrte hässlich aus ihrem schönen Mund.
„Seit sechs Jahren versteckt sie sich im Kloster Santa Susana.“
Ungläubig schüttelte Mica den Kopf. „Eine Hexe in einem Habit klingt eher unwahrscheinlich.“
Ruben rieb über seine Stirn. Überhaupt die Rede auf Hexen zu bringen, gleichgültig, worin sie steckten, war die Unwahrscheinlichkeit per se.
„Hinter Klostermauern ist sie sicher vor Verfolgung. Auf Aurora haben es die Larvae abgesehen, auf die letzte Angehörige der Hexengilden hier in Rom. Sie suchen nach ihr, und solange sie sie nicht finden, richten sie ihren Zorn auf andere. Etliche Sterblichesind verschwunden. Menschen mit gewissen Gaben, Gelehrte, Musiker, Sänger. Die Larvae unterscheiden nicht.“
„Ich habe von den Vermissten gehört“, sagte Selene gleichmütig.
„Aber was wollen die Larvae?“, bohrte Mica weiter.
„Sie wollen den Fluch brechen, der über sie gelegt wurde. Und das können sie nur, wenn sie die letzte lebende Hexe töten, deren Vorfahrin sie einst verflucht hat. Erst mit Auroras Tod hat es ein Ende.“
„Ist hier wirklich die Rede von einer echten Hexe?“, entwich es Ruben.
„Sie ist eine Strega, keine Hexe“, betonte Selene.
Gleichgültig, wie sie genannt wurden, um sie rankten sich Rätsel und Gerüchte. Gehörten sie zu den Sterblichen oder nicht? Gab es sie überhaupt oder waren sie nur ein Hirngespinst? Ruben kannte niemanden, der einer Hexe begegnet war und auch niemanden, der wiederum jemanden kannte. Sie gaben sich nicht zu erkennen und verbargen sich und ihre Magie.
„Sie wird das Kloster verlassen, ob sie damit einverstanden ist oder nicht. Mir wird sie sich fügen“, sagte Selene fest.
Gequält lachte Tizzio auf. „Ich möchte den sehen, der einer Braglia Befehle erteilt. Womit willst du sie zwingen? Mit dem Gift deiner Fänge? Bedenke, dass es sich gegen dich wenden könnte. Selbst ich würde mir gut überlegen, ob ich sie beiße. Dabei ist sie mein Mündel und sollte mir Gehorsam erweisen.“
„Niemand kann meiner Mutter Schaden zufügen“, mischte Mica sich ein.
„Erinnere dich an die Fallone und Conti und Braglia. Sie gehörten den mächtigsten Gilden an und besaßen großen Einfluss. Ich begehe nicht den Fehler, eine von ihnen zu unterschätzen. Von mir haben sie sich nie einschüchtern lassen.“
Tizzio nickte zu jedem Satz aus Selenes Mund und vergaß darüber seine Feindseligkeit.
„Aurora fürchtet sich vor den Larvae. Sie haben ihre Familie ermordet. Und sie macht mir Vorwürfe, glaubt, ich hätte sie im Stich gelassen. Dieses perfide Weib stellte mir ein Ultimatum, nur um das Kloster nicht verlassen zu müssen.“
Mica lächelte. „Dann ist sie bereit zu verhandeln. Uns mag einiges möglich sein, das dir unmöglich vorkommt, Werwolf. Was verlangt sie?“
„Sie fordert von mir einen Mann, einen Gefährten, der tollkühn, wild und entschlossen genug ist, um ihr Schutz zu bieten und sie am Leben zu halten. Eben einen Alphawolf mit der Tendenz zum Selbstmord.“
„Oh“, machte Selene.
Im Becken brach ein Fisch durch die Wasseroberfläche und tauchte platschend wieder ab. Tizzio, Selene, auch Mica verfielen ins Grübeln. Die Stille schien zu dröhnen.
Jedes Härchen auf Rubens Körper wollte sich aufrichten, und zwischen seinen Schulterblättern kribbelte es. Er versagte sich eine Bewegung, um nur ja nicht auf sich aufmerksam zu machen. Neben Tizzio war er der einzige greifbare Alphawolf in Rom, und er ahnte, worauf es unweigerlich hinauslaufen musste.
Aus den Augenwinkeln sah er zum Ausgang, schätzte ab, ob er schnell genug war, um zu entkommen. Mica nippte an seinem Wein. Tizzio zauste nachdenklich seinen roten Bart, und Selene
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