Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes
blickte ins Nichts. Unterdessen wanderte das Kribbeln über seinen Rücken und entlang seiner Beine, warnte ihn vor dem größten Schlamassel aller Zeiten. Alles in ihm war auf Flucht ausgerichtet. Katzenaugen bohrten sich in ihn. Das flirrende Grün darin schnürte ihm die Kehle zu. Inständig hoffte er, der tiefrote Mund bliebe geschlossen. Vergeblich.
„Dein Vater ist mir einmal begegnet, Ruben de Garou. Vor langer Zeit stand Juvenal mir gegenüber, allein, ohne die Unterstützung seines Rudels drang er bis zu mir vor. Er ist ein wahrer Sohn der Luna. Furchtlos, tollkühn, schnell genug, um unser Aufeinandertreffen zu überleben und dich zu zeugen. Du kannst keine hundert Jahre alt sein, aber ich bin sicher, dass in dir viel von deinem Vater steckt.“
Außerstande, die Augen von ihr abzuwenden, schluckte er. Selene schien einen Zauber um ihn gelegt zu haben. Ihr Duft, ein Lockmittel, wurde intensiver und fing ihn ein. Ihr Lächeln war voller Liebreiz.
„Juvenal hat seine Söhne zu großen Kriegern erzogen. Dazu bist du jung und ansehnlich. Aurora Braglia wäre beglückt über einen Gemahl, dessen Aussehen sie bewundern dürfte, dessen Stärke sie tagtäglich davon überzeugt, in sicherer Obhut zu sein. Die Hexengilden waren von jeher empfänglich für Sinneseindrücke. Du würdest jeden ihrer Sinne anregen.“
Die Melodie ihrer Stimme betörte ihn, verhinderte jeden klaren Gedanken. Er konnte nicht einmal den Kopf schütteln. Tizzio und Mica musterten ihn. Das Heben einer perfekt gewölbten, roten Augenbraue reichte aus, um ihn vollends aus der Fassung zu bringen. Eindeutig war eine Lamia für jeden Werwolf ein Verhängnis. Allein ihre Gegenwart lähmte.
„Ich halte ihn für brauchbar.“
Die nüchterne Schlussfolgerung löste den Bann. Ruben riss die Hände hoch und wiegelte ab.
„Auf keinen Fall. Aus diesem Grund bin ich nicht in Rom. Nein! Nein, nein. Das kommt nicht infrage.“
„Aber ja doch“, trompetete Tizzio und schlug sich in die Faust. „Das ist es. Aurora kann nicht ablehnen. Eine Abmachung ist bindend, das ist das Gesetz ihrer eigenen Gilde. Ruben erfüllt die Anforderungen, und sobald ich ihr einen Bräutigam zuführe, muss sie sich fügen.“
Soeben noch war er Streuner und Wilderer geschimpft worden, und nun war er zum Bräutigam avanciert? Ruben sprang auf.
„Hört ihr nicht, was ich sage? Meine Anwesenheit in Rom …“
„Wird unser aller Vorteil sein. Wir müssen kooperieren.“ Plötzlich war Mica neben ihm und drückte ihn zurück auf seinen Sitzplatz. „Beruhige dich, Garou. Es gibt Schlimmeres als eine niedliche Hexe, die dir das Bett wärmt.“
Ein kaltes Bett war ihm allemal lieber als die Fesseln, die sie ihm anlegen wollten. Er sehnte sich nicht nach einer Gefährtin. Das ging über jede Kooperation hinaus, die er seinem Bruder Cassian schuldete.
„Nicht mit mir“, knurrte er.
Mica ließ sich nicht abschütteln, und Tizzio bellte laut auf. „Über Jahre habe ich deine Pirsch in meinem Revier hingenommen. Du schuldest mir etwas. Wenn du dich weigerst, werde ich dich behandeln, wie es einem streunenden Köter ansteht und dir deine verfluchten Triebe nehmen. Dann hat dein Herumtollen mit den Weibern ein endgültiges Ende.“
„Wie grausam“, zwitscherte Selene. „Ein seiner Männlichkeit beraubter Werwolf würde sogar mich dauern. Es wäre eine Schande, dieses Prachtexemplar zu einem Eunuchen zu machen. Obwohl ich verstehe, dass es manchmal nicht anders geht.“
Das durfte nicht wahr sein. Sie bedrohten ihn, sogar Mica, der ihn mit eiserner Hand auf seinem Platz hielt. Jeder der drei war gefährlicher als der andere. Ehe er die Tür erreichte, würden sie über ihn herfallen. Ruben zwang sich zur Ruhe.
„Ihr vergesst eines. Meine Zustimmung nützt nichts, da es mir nicht gegeben ist, meine Gefährtin nach Lust und Laune zu wählen. Die Markierung folgt ihren eigenen Gesetzen. Du zumindest solltest das wissen, Tizzio.“
„Verflixt noch eins“, zischte Tizzio und sank zurück.
„Wovon spricht er?“, fragte Selene.
„Werwölfe markieren ihre Gefährtinnen mit ihrem Duft, Mutter.“
„Das weiß ich, und weiter?“
„Und das ist ein Impuls, der sich nicht steuern lässt.“
„Womit euer Ansinnen lächerlich wird“, brauste Ruben auf. „Die Hexe strebt eine Bindung an, die ich ihr nicht geben kann. Damit muss sie sich auch nicht an eine Abmachung halten. Das wird ja wohl jedem einleuchten.“
Seine Worte überschlugen sich. Noch nie war es so
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