Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes
Haut brachen und eine Vene perforierten.
„Was willst du andeuten, Mica?“
Offene Provokation bei einer aufgewühlten Lamia war nicht besonders klug. In ihrer Verfassung war ihr alles zuzutrauen, und er wollte weder Hiebe einstecken noch zurückschlagen. So wechselte er schleunigst das Thema.
„Wer ist ihr Vater?“
„Am-Heh war es.“
„War? Du hast den Ägypter …“
„Halt den Mund! Es war ein Versehen und er war unachtsam. Du weißt, wie es ist mit uns Lamia“, herrschte sie ihn an und warf den Kopf zurück. „Bist du hier, um mir Vorhaltungen zu machen oder Vorträge über deinen Kodex zu halten, auf den du die Vampire eingeschworen hast? Wir sind, was wir sind!“
Exakt diese Einstellung war ein Problem geworden. Die Lamia wollten bleiben, was sie von jeher waren. Sie kannten keine Einsicht, weigerten sich, sich veränderten Umständen anzupassen und setzten sich über sein Gesetz hinweg.
„Hier geht es nicht um mich oder einen toten Vampir, mein goldener Sohn. Es geht um Berenike. Ich muss sie finden.“
„Wir werden sie finden“, bestätigte er mit einem Schmelz in der Stimme, der bei seinen Blutquellen nie versagte. „Ihr kann nichts zugestoßen sein. Du bist ihre Mutter, Am-Heh ihr Vater. Sie ist stark. Eine Lamia von so reinem Blut …“
Mitten im Satz stockte er. Zeitgleich mit Selene neigte er den Kopf zur Seite. Ehe er ein Geräusch erhaschte, schnappte sein Gehör eine Schwingung auf. Schritte. Eine Gruppe näherte sich der Villa, etwa dreißig oder mehr.
Selene zischte. „Diese verlausten Wölfe. Von Anfang an habe ich es geahnt. Diese Hunde wagen sich auf meinen Grund und Boden. Keiner wird diese Nacht überleben. Verstanden?“
Er verstand ausgezeichnet. Das Rudel der roten Wölfe marschierte auf. In einem Kampf standen die Chancen gegen diese Anzahl von Gegnern fünfzig zu fünfzig, und weshalb sonst sollten sie hierherkommen, wenn nicht, um Selene herauszufordern? Alles, was er in Paris erreicht hatte, würde in Rom zunichtegemacht werden.
„Wir wollen nichts überstürzen. Vielleicht wollen sie verhandeln.“
Eine Männerstimme brüllte in seine Worte hinein. Der Schrei schien einen Krieg bereits vorwegzunehmen.
„Selene! Zeig dich, du Höllenbrut! Komm aus deinem Loch, Lamia!“
Ein mädchenhaftes Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Und ob ich mich zeigen werde.“
„Mutter! Warte!“
Mica musste seine ganze Willenskraft aufbringen, um das Eingangsportal geschlossen zu halten und prallte gegen den Willen seiner Mutter. Die hohen Türen erzitterten in ihren Angeln, Holz knackte. Vor dem Haus war ein gemeinschaftliches Luftholen zu hören. Ehe das Portal unter dem Kampf zweier gegenteiliger Kräfte zerbarst, gab Mica auf. Selene war nicht zu halten. Sie flog schier durch den Eingang auf die Versammlung vor ihrem Haus zu, hinein in das Licht erhobener Fackeln. Zwei Dutzend Männer, ein weiteres Dutzend in Wolfsgestalt, bildeten einen Halbkreis um einen Mann mit leuchtend rotem Feuerschopf. Tizzio di Mannero schwitzte, und das gewiss nicht, weil der Weg den Aventin hinauf ihn angestrengt hatte. Ingrimm und auch Angst ging von dem Rudel aus. Fackelschein reflektierte in ihren Augen und sie hatten die Zähne gefletscht. Selene blieb unbeeindruckt von der Übermacht. Sie baute sich vor Tizzio auf.
„Was hast du mit meinem Kind gemacht?“
Ihre Frage rollte über das Rudel hinweg. Tizzio bewegte sich, ließ die Schultern kreisen und seine Muskeln spielen, während Selene reglos blieb, in der Gewissheit, dass ihr Sohn ihren Rücken deckte. Nichts anderes blieb ihm übrig. Noch verharrte Mica im Schatten zum Atrium und behielt die kleine Versammlung im Auge.
„Lass Saphira frei. Ich weiß, dass du sie hast!“
Schweigen folgte auf diese Forderung, die Mica aufhorchen ließ. Noch jemand war verschwunden. An Selenes Haltung konnte er ablesen, dass sie stutzte. Er trat aus den Schatten und das Rudel wich zurück. Sie hatten mit einem Gegner gerechnet, nicht mit zweien. Er ging auf sie zu, hielt sie mit seinem Blick in Schach. Schweißtropfen rannen Tizzio über die Schläfen, er schien unschlüssig zu werden. Jäh wagte der Alphawolf einen Vorstoß, als gelte es, die eigene Angst vor der Konfrontation zu überwinden. Er stieß seine Fackel nach Selene. Blitzartig schob Mica sich dazwischen und wehrte den Angriff ab.
„Hör mir zu, Tizzio di Mannero!“
„Geh aus dem Weg, Vampir!“
„Ja, geh beiseite, mein Sohn“, stimmte Selene im Plauderton zu. Sie hatte
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