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Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes

Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes

Titel: Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Wegner
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Luft an. Wenn sie keinen klaren Kopf behielt, konnte sie den Kokon nicht weiter nach Lücken absuchen. Sie musste Selene erreichen. Das Keuchen von Saphira störte sie in ihrer Konzentration. Die Wölfin klang wie ein defekter Blasebalg.
    „Saphira, beruhige dich.“
    „Ich will raus aus diesem Ding. Ich halte es nicht mehr aus.“
    Saphira begann zu weinen. Sie vergeudete zu viel Atem und schadete sich. Berenike musste sie beruhigen. Bloß wie? Die Schluchzer wurden immer härter, kamen erstickt und trocken. Kurzerhand stimmte sie ein Lied an. Sollte der Kokon schrumpfen, ihr lag nichts daran, dieses Loch mit einer Toten zu teilen. Mit einer Lebenden, mochte sie auch eine Feindin sein, konnte sie sich zanken oder ihr etwas an den Kopf werfen, wenn ihr danach war. Das Wiegenlied, das sie anstimmte, hatte Selene ihr oft vorgesungen. Mit dunkler, rauchiger Stimme. Ihre eigene Stimme war klarer, glockenhell und gewann mit jedem Ton an Stärke. Das Wimmern von gegenüber wurde leiser, bis es ganz aufhörte und die Wölfin der Melodie lauschte. Obwohl es ihr schaden konnte, sang Berenike Strophe um Strophe und ließ den letzten Ton langsam ausklingen. Über lange Zeit blieb alles still.
    „Ich fasse es nicht!“, stieß Saphira aus und brach die besinnliche Ruhe. „Du bist eine Lamia!“
    Berenike seufzte schwer. Durch ihren Gesang hatte sie sich selbst entlarvt. „Ich heiße Berenike.“

     
    Der Duft von warmer Milch und Honig löste Wohlbehagen aus, obwohl er nicht zu den Gerüchen gehörte, die Ruben oft in die Nase stiegen. Er rollte sich auf den Rücken und streckte sich, die Ohren in Richtung Nebenzimmer gespitzt. Zu hören war nichts, aber sein Instinkt sagte ihm, dass er nicht allein war. Vor dem Fenster kündete ein dunkler Himmel den Abend an. Den gesamten Tag hatte er verschlafen, sich dabei irgendwann zurückverwandelt. An seinem Leib waren die Kratzspuren verheilt, seine Haut war unversehrt. Als ihm aufging, dass er nackt im Bett lag und womöglich Aurora nebenan war, schlang er hastig die Decke um seine Blöße. Sein Blick schweifte durch das triste Grau des Schlafzimmers, während er seine Bestandsaufnahme fortsetzte. Nicht nur sein Körper hatte sich erholt, auch seine Verfassung war ausgeglichen. Er fühlte sich geradezu verdächtig wohl in seiner Haut. Kein Gedanke daran, im Eiswasser eines Bassins nach Vergessen zu suchen. Ihm kam es vor, als habe die Nacht mit Selene nie stattgefunden.
    Er schob sich auf die Bettkante zu, lehnte sich darüber und lugte in das Nebenzimmer. Aurora saß vornübergebeugt am Schreibtisch, die Stirn hatte sie auf ein Buch gelegt, das mindestens zwei Handbreit dick war, die Arme waren ausgebreitet. Neben ihr stieg Dampf aus einer Tasse. Von Anfang an hatte ihn ihr rätselhaftes Verhalten verwirrt. Von ihrer Behauptung, seine Gedanken pflücken zu können über ihr erschreckend pathetisches Ehegelöbnis bis hin zu diesem Moment. Sie verharrte reglos, anscheinend schon seit geraumer Zeit. Er betrachtete ihren wirren Wuschelkopf. Im Kerzenschein schimmerten ihre Locken wie das Mondlicht. Er kannte keine Frau, deren Haar so hell war. Was machte sie da eigentlich? War das die Art der Hexen, ein Buch zu lesen – indem sie ihre Stirn auf den Ledereinband drückten? War sie überhaupt eine Hexe, wie alle behaupteten? Seines Wissens nach hatten Hexen rotes Haar und bestrickten mit unnatürlich blauen Augen. Ihre Augen hingegen waren Grau. Wetteraugen. Sturmaugen. Ein besserer Vergleich kam ihm nicht in den Sinn, denn das Grau wechselte die Farbe unentwegt von hell zu dunkel, ebenso wie ihre Gemütsverfassung. Wozu stellte er überhaupt Vergleiche an?
    Er rollte über die Breite des Bettes, kam auf der anderen Seite auf die Füße und nahm aus seinen Satteltaschen eine frische Hose und ein frisches Hemd. Nachdem er beides übergezogen hatte, ging er zu ihr und lehnte sich an den Türrahmen. Noch immer hatte sie sich nicht bewegt.
    „Aurora, geht es Euch gut?“
    Sie schrak auf, setzte sich mit einem Ruck aufrecht hin und wurde rot. „Oh, du bist wach.“
    Er runzelte die Stirn. Waren sie sich so nahe gekommen, dass ein Du gerechtfertigt war? Erinnerungsfetzen mahlten sich an die Oberfläche. Eine ruhige Frauenstimme, eine zarte Hand, eine Liebkosung in seinem Wolfspelz wie ein lauer Windstoß an einem heißen Tag, hatten die Nacht mit Selene in den Hintergrund geschoben. Dem Wolf hatte es Frieden und einen tiefen Schlaf geschenkt. Sie musste es gewesen sein. In ihm drängte

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