Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes
offene Rechnung eingetrieben. Vielleicht hat er sich etwas übernommen, doch er wird sich davon schnell erholen und wieder zu Kräften kommen.“
„Was für eine Rechnung? Bei wem?“
„Nichts von Belang. Absolut nichts, was ihn davon abhalten kann, dich zu beglücken. Er wird sein Versäumnis nachholen. Es wird keinen weiteren Grund zur Klage geben. Ganz im Gegenteil, du wirst begeistert sein.“ Er schlug sich an die Stirn. „Wie konnte ich es vergessen? Eine junge Hexe steckt voll Feuer und Leidenschaft. Er wird sie auflodern lassen. Auflodern!“
Mit klaffenden Lippen ließ sie sich die Wangen tätscheln. Bestimmt war sie so rot wie die Tomaten, die sie so gerne aß unddie von den Wölfen Teufelsfrüchte genannt wurden. Selbst im Kloster hatte sie nicht auf ihre Leibspeise verzichten müssen, auch wenn die Nonnen nur darauf warteten, dass sie nach dem ersten Bissen tot umsank. Nun, sie hatte jede Tomate überlebt, sonst wären Tizzios Worte jetzt nicht über sie hinweggefegt.
„Vielleicht braucht es einen kleinen Anstoß, damit er sich daran erinnert, was er dir schuldet. Natürlich muss die Verbindung vollzogen werden. Alles andere würde dir nicht gerecht werden. Lass mich nur machen. Ich rede mit ihm.“
Ehe sie ihn aufhalten konnte, wirbelte er herum und lief hinaus, jede Ablenkung ergreifend, die sie von ihrer eigentlichen Absicht abbrachte. Sie hechtete ihm nach.
„Tizzio!“
Sein Morgenmantel wehte um eine Ecke und verschwand. Nur sein Poltern war weithin zu hören. „Ich werde ihm schon beibringen, was sich meinem Mündel gegenüber gehört. Du bist eine Braglia. Daran werde ich ihn erinnern. Er wird seine Pflicht mit Feuereifer erfüllen, und wenn ich ihm dazu eigenhändig die Hosen herabziehen müsste.“
„Tizzio!“
Sie setzte ihm nach. Ein Schrei brach aus seinem Mund. Vermutlich brachte er sich damit in die richtige Stimmung für einen Disput mit einem anderen Alpha. Einige verschlafene Rudelmitglieder stoben auseinander, als er durch die Säle preschte. Er stürmte ihre Zimmerflucht. Erst an der geschlossenen Schlafzimmertür holte Aurora ihn ein und warf sich dazwischen. Mit ausgebreiteten Armen umfasste sie den Türrahmen. „Keinen Schritt weiter. Du wirst mich nicht in Verlegenheit bringen. Diese … Angelegenheit geht nur ihn und mich etwas an.“
„Deine Beschwerde hat es zu meiner Angelegenheit gemacht. Geh aus dem Weg.“
„Er kann nicht zu mir stehen“, stieß sie hervor. „Er hat es selbst zugegeben. Es fehlen die Voraussetzungen.“
„Das weiß er erst, wenn er es versucht hat. Ich werde es nicht einfach hinnehmen, dass du wegen dieser Lappalie aufgeben willst. Sie lässt sich leicht aus der Welt schaffen.“
„Er ist krank. Begreife es endlich!“
Tizzio knurrte leise auf, griff in ihren Rücken und packte den Türknauf. „Ein Alphawolf ist nicht krank. Schwer verwundet, das wohl. Tödlich verletzt, auch das kommt vor. Aber niemals krank.“
Sie konnte ihn nicht länger aufhalten. Der Knauf drehte sich, und die Tür in ihrem Rücken verschwand. Rücklings stolperte sie ins Leere, packte den Knauf und hielt sich aufrecht. Tizzio verharrte auf der Schwelle und glotzte. Hinter ihr rumpelte es dumpf.
„Keine schnelle Bewegung, Aurora“, zischte Tizzio aus dem Mundwinkel und verhielt sich reglos. Er senkte sogar den Blick zu Boden.
Vorsichtig drehte sie den Kopf. Auf dem Bett stand ein Wolf, ein großes, langbeiniges Tier, dessen tiefschwarzes Fell sich sträubte. Dunkelrote Farbtupfer legten eine Maske um seine Augen, zogen in Stromlinien durch seine Halskrause. Er war ein Riese, größer und breiter als die roten Wölfe. Die Ohren angelegt zeigte er zwei Reihen spitzer Zähne und Fänge, die so lang waren wie ihr Zeigefinger. Hatte sie Ruben wirklich für schwach gehalten? Der Wolf vibrierte vor Kraft. Er war stolz und wild und derzeit schlecht aufgelegt. Er brauchte kein Schild oder Schwert, sondern war sich selbst genug. Sein Anblick gemahnte sie an ihren geleisteten Eid.
„Aurora, komm vor die Tür. Ganz langsam.“
Ihre Anwandlung kam, wie so vieles, plötzlich. Hart trat sie Tizzio auf den Fuß, versetzte ihm einen Stoß vor die Brust und schlug die Tür zu. Unter dem Knall schwoll das Knurren an. Mit dem Rücken zum Bett blieb sie stehen. Sie war unter Wölfen aufgewachsen, von einem Alpha erzogen worden. Bevor sie eine Frau rissen, musste diese ihnen Schmerz zufügen oder ihr Leben bedrohen. Einige waren unberechenbar, andere leicht zu
Weitere Kostenlose Bücher