Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes
der Wolf darauf, sich zu ihr zu gesellen und seinen Kopf in ihren Schoß zu legen. Ruben scheuchte die Wolfsinstinkte zurück in die Tiefen, aus denen sie aufgestiegen waren.
„Hast du Hunger?“, erkundigte sie sich.
„Hölle, ich könnte einen ganzen Hirsch vertilgen.“
Sofort nahm sie ein Glöckchen auf und läutete. Danach warteten sie, er auf der Schwelle, sie vor ihrem Buch. Er wappnete sich vor Fragen und überlegte sich schlüssige Erklärungen für sein Verhalten am Morgen. Doch Aurora fragte nichts. Sie nippte an ihrer warmen Milch und schien in ganz eigene Gedanken versunken, die sich mit dem Buch vor ihr befassten. Unmerklich hob er den Kopf und witterte. Sie roch gut, das war ihm sofort aufgefallen. Nach Wind und Regen. Nein, das traf es nicht ganz. Ihr Duft erzeugte Bilder von dahinjagenden Wolken, Blitzen in einem schwarzen Himmel, Regen, der lautlos auf die Erde fiel. Ihr Geruch glich einem heraufziehenden Unwetter. Er hielt inne. Schon wieder Vergleiche. Wollte er etwa zum Poeten werden? Er musste sich ablenken, bis das Essen kam. Auf andere, vernünftige Gedanken kommen.
„Was ist das für ein Buch?“
Sie setzte die Tasse ab und legte die Hände auf den dunklen Ledereinband. Schmale Finger mit langen Nägeln. Anders als bei Selene waren sie abgerundet und nicht gefährlich spitz. Andacht huschte über ihr Gesicht.
„Dies ist das Grimoire der Hexengilde Braglia. Es ist sehr alt. Jede Generation meiner Familie hat darin ihr Wissen aufgezeichnet, neue Erkenntnisse hinzugefügt oder Korrekturen vorgenommen. Jede Hexengilde besitzt ein Grimoire.“
„Deine Familie muss ziemlich viel an Wissen zusammengetragen haben.“
Sie seufzte und sah auf das Buch hinab. „Vieles davon bleibt ohne Anleitung unverständlich. Obwohl es heißt, ein Grimoire offenbare seine Geheimnisse dem Besitzer, sobald die Zeit dazu gekommen ist.“
Sie schien noch auf Offenbarungen zu warten. „Weshalb schlägst du es nicht auf?“
„Weil … weil ich noch kein Zeichen erhalten habe. Ein Grimoire wird nicht wie andere Bücher gelesen. Es gibt strikte Regeln in der Handhabung.“
Eine junge Rudelwölfin kam herein und unterbrach ihr Gespräch. Sie setzte ein Tablett an einem Tisch am Fenster ab. Aus purer Gewohnheit erwiderte er ihr träges, etwas anzügliches Lächeln und warf einen tiefen Blick in ihre Augen. Aurora hob die Stimme.
„Contessina, ich brauche frische Bettwäsche. Auf den Laken sind Wolfshaare.“
„Oh, ich kümmere mich schon darum“, trällerte Contessina und ging ins Schlafzimmer.
Da Ruben in der Tür stand, nutzte sie die Gelegenheit, im Vorbeigehen ihre Hüfte an ihn zu drücken. Die Berührung sollte zufällig wirken, war es jedoch nicht. Er gab vor, nichts zu merken. Vor Aurora würde er garantiert nicht tändeln. Hexen wurde ein explosiver Charakter nachgesagt, und ihm war nicht nach einer Szene. Trotzdem beobachtete er die appetitlich dralle Contessina. Sie zog die Laken ab und musterte sie von allen Seiten. Er hatte keine Ahnung, wonach sie suchte. Wieder schoss sie ihm ein Lächeln zu. Diesmal ließ es keine Fragen offen. Aurora schien es zu erahnen, obwohl sie Contessina von ihrem Platz aus nicht sehen konnte.
„Du weißt, weshalb ich hier bin, Contessina.“
Das Mädchen bündelte die Bettwäsche, holte frische aus der Kommode und nutzte ihre Arbeit, um ihr Hinterteil herausfordernd vor Ruben zu schwenken.
„Alle wissen, weshalb du zu uns zurückgekehrt bist. Saphira muss gefunden werden.“
„So ist es. Meine Hexengabe soll uns dabei helfen. Und die Künste einer Hexe sind bei einer Jungfrau am mächtigsten. Du verstehst sicher, dass meine Tugend erhalten bleiben muss, wollen wir Saphira retten.“
„Ah!“, machte Contessina, und ihr Lächeln wurde zu einer offenen Einladung an Ruben.
Er erwiderte es nicht. Für die nächsten Tage, vielleicht sogar Wochen war er bedient.
„Jetzt weißt du, weshalb kein Fleck auf den Laken ist“, schloss Aurora.
„Ja, und ob.“
Contessina raffte das mit Wolfshaaren bedeckte Bettzeug an sich. Ruben bot ihr keine Gelegenheit, sich bei ihrem Abgang abermals an ihm zu reiben und setzte sich vor das Speisetablett. Er hob den Deckel ab und begann zu essen.
„Stimmt das?“, fragte er, sobald Contessina gegangen war.
„Nein. Aber sie wird es herumerzählen und alle werden es glauben. Das erklärt, weshalb ich noch unberührt bin, denn Jungfrauen bluten doch bei ihrer Defloration, nicht wahr?“
Beinahe verschluckte er bei dieser
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