Söhne der Rose - Die Zeit ist aus den Fugen- (Gay Phantasy) (German Edition)
vollkommen unberechenbar, wie es bei Luis der Fall war, kann er sogar gute Spieler besiegen. Sinh flog regelrecht an Luis vorbei und nahm den Ball mit. Bevor ich ihn erreicht hatte, spielte er an Daxx ab, der es irgendwie geschafft hatte, sich durch Pedros Verteidigung zu kämpfen und relativ frei unter unserem Korb zu postieren. Statt zu dunken, womit wahrscheinlich jeder gerechnet hatte, gab er den Ball zurück an Que, der gerade erst angelaufen kam. Er fing den Ball, machte drei Schritte und warf, bevor Julio ihn erreichen konnte.
Treffer.
Und Ende.
Wir hatten das Spiel Zehn zu Vier verloren. Das freudige Geschrei der beiden Bruderpärchen war groß. Die alte Frau, die sich tatsächlich den Rest des Spiels angesehen hatte, streckte ihnen den erhobenen Daumen entgegen und kniff ein Auge zu, bevor sie sich weiter auf den Weg machte. Alain trottete mit gesenktem Kopf an Julio vorbei und murmelte leise vor sich hin, was ich wegen der Entfernung und des Siegesgebrüll nicht verstehen konnte. Julio beschleunigte seinen Schritt, klopfte, auf Alain einredend, auf seine Schulter und massierte seinen verschwitzten Nacken.
„Venganza“, sagte Julio mit lauter, fester Stimme, als sich die beiden zu unserer Sechsergruppe gesellten. „So leicht kommt ihr nicht davon.“
„Eine Revanche?“, fragte ich unbehaglich. Ich machte mir ein wenig Sorgen um Alain. Sein starrer Blick bestätigte, was ich schon im Sommer 1997 vermutet hatte: Er war ein hervorragender Gewinner, aber ein schlechter Verlierer. „Ich weiß nicht. Es ist schon spät.“
„Travesura!“, rief Julio. „Es ist noch früh. Habt ihr Angst? Wollt ihr euch drücken?“
Ich wollte mich drücken, nicht vor dem Spiel, sondern vor den möglichen Konsequenzen. Ich hätte mit Sicherheit weitere Gegenargumente zu Tage gefördert, wenn Sinh und Daxx mir nicht heimlich zugenickt hätten, synchron, wie es für die beiden typisch war.
Dieses einfache Nicken löste bei mir eine wahre Welle der Erkenntnis aus. Sie hatten die Situation erkannt und waren nun bereit, ihren Teil dazu beizutragen, sie in einen für alle angenehmen Zustand zu verwandeln, auch wenn sie dabei an Spaß einbüßen mussten. Ich hatte sie unterschätzt; trotz ihrer Jugend waren sie unglaublich aufmerksam und zugleich gutherzig. Wie um alles in der Welt sollte man solche Jungs nicht lieben?
Paradoxerweise steigerte aber eben dieses auch meine Liebe zu Alain. Ich war ihm nicht böse. Okay, er war nicht gerade das Paradebeispiel eines guten Verlierers, aber er riss sich zusammen. Seine Stärke war es, die mich wie so oft begeisterte. Die Stärke, seine Niederlage ohne allgemeines Nörgeln zu akzeptieren und trotz eines übermächtigen Gegners weiterzukämpfen.
Diese Art aufgeteilter oder multipler Liebe konnte einen fertig machen.
Wir stärkten uns mit Mineralwasser, das die Latinos gallonenweise in ihren Sporttaschen bei der lädierten Bank mitgebracht hatten, indem wir es tranken und uns gegenseitig über die Köpfe schütteten.
Das zweite Spiel verlief mit denselben Mannschaften, nur der Ablauf war anders. Sinh und Daxx hielten sich dermaßen geschickt zurück, dass es unmöglich auffallen konnte, dass sie nicht ihr Bestes gaben. Sie ließen uns gewinnen, aber nur mit zwei Punkten Vorsprung: Acht zu Zehn. Julio gelang der letzte und entscheidende Treffer mit einem Wurf, der den Ball anderthalb Runden auf dem Rand des Korbes laufen ließ, bis er letztendlich in dessen Zentrum stürzte. Das Siegesgeschrei unserer Mannschaft stand dem vorherigen in nichts nach. Alain und Julio fielen sich in die Arme und hüpften wie kleine Kinder auf und ab. Ich war erleichtert – ich glaube, sogar Pedro ging es ähnlich – und dankte gerade den Zwillingen im Geiste, als mir eine unbedeutende Kleinigkeit auffiel. Als Alain und Julio sich aus ihrer Umarmung lösten, ließ Julio seine rechte Hand derart hinabsinken, dass seine Fingerspitzen dabei über Alains Brust strichen.
Und wieder verspürte ich diesen leichten Stich, aber im selben Moment legte mir Pedro eine Hand auf die Schulter und drückte mit seiner anderen, zur Faust geballten Hand, mein Kinn spielerisch zur Seite.
„Victoria!“, rief er lachend und entblößte dabei seine großen, weißen Zähne. Ich glaubte, er war ebenfalls erleichtert. Julio schloss mich ebenfalls in die Arme.
„Ey, Namensvetter. Gutes Spill.“
Es war herzlich, aber anders als bei Alain, der mir lächelnd zunickte.
Als sich alle beruhigt hatten,
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