Söhne der Rose - Die Zeit ist aus den Fugen- (Gay Phantasy) (German Edition)
ähnliches.
„Was will er von uns?“, brüllte ich. „Was weiß er über uns und woher? Antworte, verflucht noch mal!“
Mr. Versace interpretierte meinen Gefühlsausbruch wahrscheinlich erneut als Schwäche. Klar, ich hatte mich nicht so gut im Griff wie er. Aber er hatte vergessen, dass nichts gefährlicher ist, als ein verwundetes Tier.
„Frag doch deinen toten schwarzen Freund, der gerade von deinem anderen idiotischen Kumpel durch die Gegend kutschiert wird. Vielleicht kennt der eine Antwort.“
Damit hatte er mich. Die dünne Eisdecke meiner Schwachstelle war zerschmettert worden. Ich dachte nicht einmal darüber nach, woher er das wissen konnte. Ich glaube, er musste zwischenzeitlich halbwegs bei Bewusstsein gewesen sein, so dass er Gesprächsfetzen zwischen Alain und mir mitbekommen hatte, aber in dem Moment war mir nichts mehr klar, gar nichts mehr. Außer, dass Mr. Versace behauptete, Sinh wäre tot, und diese Aussage von ihm, gelogen oder nicht, ließ die Stimme in meinem Kopf zu einem markerschütternden Kreischen aufheulen.
Wie vom Irrsinn eines Fiebers besessen, löste ich seine rechte Handfessel. Sobald sie gelockert war, versuchte er mich zu fassen, aber ich packte seinen Unterarm mit beiden Händen und bog ihn hoch, so dass er seine Finger direkt vor Augen hatte. Tränen, aber diesmal aus purem Hass, rannen über mein Gesicht.
„Du lügst, du Schwein“, schrie ich mit ferner Stimme. Real schien plötzlich nur noch das Kreischen in meinem Kopf zu sein. „Du lügst. Du lügst!“
Und er lachte. Tatsächlich, er lachte mir ins Gesicht, und das Geräusch war wie ein hauchdünner tiefer Schnitt einer Rasierklinge.
Er lachte, als salzige Tränen ein hellrotes Gemisch mit meinem Blut eingingen und über mein verzerrtes Gesicht rannen.
Er lachte
Bis er unerwartet schrie.
Ich hatte größtenteils unterbewusst gehandelt und war in meinem Entsetzen fast genau so überrascht, wie er, als sein kleiner Finger auf ein Mal erst blass, dann grau und fleckig wurde. Die Haut zog sich zusammen, Haare wuchsen wie in Zeitraffer auf seiner Oberseite und wurden weiß. Meine Schmerzen stimmten in ein Duett mit dem Gekreische in meinem Inneren ein. Der Finger vor unseren Augen wurde knotig und krümmte sich wie ein austrocknender Ast zusammen. Knacken, als würde man eine Chipstüte zerdrücken, begleitete den Prozess. Ich schleuderte seine Hand zur Seite, als sei sie ansteckend und richtete mich schwankend auf. Mr. Versace versuchte nicht mehr, nach mir zu greifen. Er schrie noch immer, als er seine Hand hob, um das verkrüppelte Stück Haut und Knochen zu begutachten, das einmal sein Finger gewesen war.
Mir wurde wieder übel, dieses Mal richtig. Die Schreie, die Anstrengung, die Angst, meine Tat, meine Hilflosigkeit. Mit Gewalt vermied ich es, mich zu übergeben. Weiße Punkte tanzten zu Hunderten wie ferne Engel durch mein gesamtes Blickfeld.
Durchhalten.
Das Gekreische in meinem Kopf erstarb fast gleichzeitig mit dem von Mr. Versace. Er war kreidebleich, schweißüberströmt, und sah mit offenem Mund auf seinen Finger, als würde er ein seltenes Relikt einer fernen Galaxie betrachten. Mir ging es bestimmt ebenso dreckig wie ihm, wenn auch aus anderen Gründen, aber wenn ich eine Chance hatte, Informationen zu erhalten, war sie nun gekommen.
„Fünfzig Jahre“, flüsterte ich, laut genug, dass Mr. Versace mich hören konnte. „Dein Finger ist jetzt fünfzig Jahre älter als der Rest deines Körpers.“
Ich war mir nicht sicher, ob er mir überhaupt zuhörte. Unvermindert glotzte er seinen Finger an. Ich schlug seine Hand weg, packte ihn an den Schultern und sah im tief in die aufgerissenen Augen, die eine animalische Verständnislosigkeit ausdrückten. Und Angst. Diesmal wich er meinem Blick aus. Es spielte keine Rolle.
„Und jetzt bekomme ich meine Antworten. Andernfalls kannst du zusehen, wie deine mickrigen Genitalien verschrumpeln, kurz bevor ich deine Augäpfel vertrocknen lasse.“
Nicht, dass ich das wirklich vorgehabt hatte, mir ging es schon schlecht genug, und das nicht wegen der Zeitmanipulationen, sondern wegen dem, was ich getan hatte. Trotzdem weiß ich nicht, wie weit ich gegangen wäre, aus Angst um Sinh und Daxx. Ein Gedanke, hervorgerufen durch eine winzige Kleinigkeit, gab mir zumindest etwas Mut, mich nicht in ein kaltblütiges Monster zu verwandeln: Sein Finger war bei dem Alterungsprozess nicht zu Staub zerfallen, was bedeutete, dass dieser Mann noch
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