Söhne der Rosen - Die rätselhaften Zwillinge (Gay Phantasy) (German Edition)
Rauschen in meinen Ohren. Sie taumelten an mir vorbei und er ergriff mich mit einer Hand, zog mich hinter ihnen her, bis wir vor einer grünen Metalltür standen. Der Lack war stellenweise abgeplatzt. Komisch, dass ich mich daran noch erinnere. Sie sah aus, als wäre sie in Tarnfarben angestrichen worden. Mein Dad ließ uns beide los und versuchte sie zu öffnen. Sie hatte sich bei der Explosion verzogen. Er drückte sie ein paar Mal vergebens, dann warf er sich mit aller verbliebenen Kraft dagegen und stolperte in den Gang hinter der Tür. Ich lief ihm nach und mir folgte der andere Junge. Im Gegensatz zum Labor war die Luft dort angenehm frisch. Der Qualm folgte uns, aber wir waren schneller. Mit jedem Yard konnte ich besser atmen. Wir liefen meinem Vater hinterher, so schnell wir nur konnten. Wenn er zu weit vorn war, blieb er stehen und winkte uns. Wir rannten an den Aufzugtüren vorbei zum Treppenhaus und dann weiter nach oben. Alles war in das rote Licht der Alarmsirenen getaucht. Es sah so aus, als wären die Wände mit dem Blut der Opfer der Katastrophe bestrichen worden. Die Treppen nahmen kein Ende, bis wir nach einer Ewigkeit vor einer weiteren Metalltür ankamen, die mein Dad diesmal ohne Gewalt öffnen konnte. Sonnenlicht blendete mich, dann standen wir nahe dem Parkplatz unter freiem, blauem Himmel. Ich ließ mich auf Knie und Hände fallen, hustete und spuckte aus, immer wieder. Der andere Junge tat dasselbe, nur mein Dad holte kurz Luft und wandte sich wieder zur Tür. Er wollte zurücklaufen, aber andere Wissenschaftler, die uns gefolgt waren, hielten ihn zurück. Er wollte sich losreißen, schlug um sich, aber es waren zu viele. Er schrie, sie schrien, aber das alles hörte ich nur wie durch Watte. Die Stille und der blaue, wolkenlose Himmel wirkten unnatürlich nach dem Desaster. Fast so, als wäre man plötzlich in einer Fernsehshow aus den Fünfzigern gelandet. Mein Dad gab auf. Dann sank er in sich zusammen und weinte. Ich glaube, dass war das Schlimmste. Ich hatte ihn nie zuvor weinen gesehen. Es kam mir unnatürlich und beängstigend vor. Erwachsene weinten doch nicht. Unbeholfen kroch ich auf ihn zu und legte meine Arme um ihn. Der andere Junge tat dasselbe und ich machte mir nicht mal Gedanken darüber. Dort hockten wir, in unserem kleinen Dreieruniversum, dessen Entstehung genau so rätselhaft war, wie der Ursprung unseres eigentlichen Universums selbst, den meine Eltern zu entschlüsseln versucht hatten.“
Sinh schüttete nach. Unbemerkt hatten wir alle ausgetrunken, also füllte er auch Daxx’ und mein Glas.
„Ich weiß nicht mehr, wie lange wir dort auf dem Parkplatz gehockt hatten. Irgendwann sagte mein Dad etwas zu uns, aber ich konnte noch immer kein Wort verstehen. Er sah auf die Uhr, dann erhob er sich und half uns beiden auf. Gemeinsam humpelten wir unbemerkt zu unserem Auto, geschützt durch die Hölle, die über alle hereingebrochen war. Als wir den Parkplatz verließen, kamen uns eine ganze Reihe Polizei- und Feuerwehrautos entgegen, gefolgt von mindestens sechs Krankenwagen. Wir fuhren zum dortigen Kantonsspital. Ich saß neben meiner Kopie – entschuldige, Daxx – auf dem Rücksitz. Wir starrten uns ungläubig an. Ich schätze, wenn wir nicht alle von dem Trauma gelähmt gewesen wären, hätten wir anders reagiert. So aber saßen wir nur schweigend da und sahen uns an.
Am Krankenhaus öffnete mein Dad die Tür an Daxx’ Seite und zog ihn vorsichtig aus dem Wagen. Dann machte er ein paar Gesten und hielt seine Handflächen hoch, um mir zu zeigen, dass ich sitzen bleiben sollte. Ich gehorchte, und die beiden verschwanden im Eingangsbereich. Als ich allein dort im Auto saß, weinte ich. Ich wischte den Rotz mit dem Ärmel meines zerfetzten Laborkittels ab. Andere Menschen fuhren auf den Parkplatz, stiegen aus und gingen auf das Gebäude zu, um vielleicht Patienten zu besuchen. Sie sahen so ordentlich in ihren Sonntagsanzügen und Kleidern aus, so sauber und schick. Und plötzlich hasste ich sie und beneidete sie gleichzeitig. Sie kamen nicht aus der Hölle. Die Hölle, in der meine Mom zurückgeblieben war. Damals hatte ich zwar noch Hoffnung, aber irgendwie wusste ich es auch schon. Sie hatte den Unfall nicht überlebt.
Mein Dad kam zurückgerannt, sprang hinter das Steuer, sagte wieder etwas, das ich nicht verstand, und wir fuhren los, zur Uniklinik. Dort brachte er mich in die Notaufnahme. Ich wurde untersucht und geröntgt, anschließend gesäubert und
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