Soehne des Lichts
zusammengeschlagen worden. Misham, ihr älterer Sohn, hasste Eiven ganz besonders. Mit etwas Glück strolchte er in Hörweite herum.
„Eiven!“
Es dauerte nicht lange, da raschelte es leise im Unterholz, und ihr missratener Sohn kam zu ihr geschlichen. Ungelenk und verunsichert neigte er den Kopf und wartete stumm, als würde er Strafe erwarten.
„Hol Niyam her. Sprich mit niemandem, begleite ihn nicht und lass dich nicht erwischen“, befahl sie knapp. Sie erkannte die Frage in den viel zu hellen Augen ihres Sohnes, ignorierte sie allerdings, wie üblich. Als er fortflog, seufzte Roya leise. Manchmal wünschte sie, wünschte sie so sehr ...
Niyam erschien zum Glück allein. Eiven hatte gehorcht und war ihm nicht gefolgt. Roya musste nichts sagen, im gleichen Moment, als Niyam die Nola sah, erstarrte er fassungslos.
„Avanya?“, rief er ungläubig. Die hatte sich mittlerweile aufgesetzt und lehnte mit dem Rücken gegen einen Baumstamm.
Sie antwortete etwas mit einem Lächeln, Roya schnappte „Familie“ und „Hilfe“ auf. Zumindest klang es danach.
„Wie kommst sie hierher?“, fragte Niyam kopfschüttelnd, wandte sich jedoch der Nola zu, bevor Roya antworten konnte. Roya setzte sich ein wenig abseits zu Boden und wartete, während er sich mit Avanya unterhielt. Sie verstand nur vereinzelte Worte von dem, was die beiden sagten, sie hatte nie Roensha lernen wollen. Die Sprache der Menschen von Roen Orm. Roya schnaubte verächtlich. Wenn bloß ein Funken Wahrheit in den alten Legenden steckte, dann hatte diese Stadt nicht immer den Menschen gehört!
„... ich konnte sie ans Flussufer schieben, mich aber nicht selbst halten. Danach weiß ich nichts mehr, bis Roya mich geweckt hat“, beendete Avanya ihre Erzählung.
„Ich kann dich den Fluss hinab begleiten und dir helfen, deine Freunde zu suchen“, bot Niyam sofort an. Avanya zögerte.
„Ich weiß nicht, ob ich das will. Von Thamar hätte ich mich sowieso getrennt, für den Winter jedenfalls.“ Sie kämpfte, um den Kummer nicht zu zeigen, der sie innerlich zerriss. Ob sie alle wohlauf waren? Thamar, wenn er nun tot war?
„Du sagtest, Inani war bei ihm. Ich kenne diese Hexe gut“, sagte Niyam, der sie aufmerksam beobachtet hatte. „Sie ist nicht nur selbst sehr mächtig, sie hat zahlreiche Verbündete. Ich denke, sie werden überlebt haben.“ Er lachte leise. „Es ist verrückt, dieses riesige Land scheint ein Dorf geworden zu sein und jeder kennt hier jeden.“
Aufseufzend sprach er in der leicht kehligen und zugleich melodiösen Sprache der Loy mit der Heilerin, während Avanya müde den Kopf auf die angezogenen Knie legte. Was sollte jetzt aus ihr werden? Wohin sollte sie gehen? Ihr Amulett war noch immer in Thamars Obhut. Ohne den Kristall fühlte sie sich verloren, nackt, hilflos – aber es widerstrebte ihr, ihn zu suchen. War es nicht besser zu glauben, dass es ihm gut ging? Dass er unbeschwert seines Weges ging, seine Suche fortsetzte? Besser daran zu glauben, als sich der Gewissheit seines Todes zu stellen? Für eine Weile zumindest.
Sie kämpfte gegen die Bilder, die aus den Tiefen ihrer Seele aufstiegen. Ihr Vater. Erschlagen von den Chyrsk. Meine Schuld! Falls Thamar ertrunken sein sollte, wäre es ihre Schuld. Niemals wäre er in die Höhlen der Chyrsk hinabgestiegen, nie!
Avanya schluckte, es war schwierig, alle Zweifel und marternden Gedanken zurückzudrängen. Nein. Sie würde Thamar nicht suchen gehen. Falls er lebte, würde er sie nicht gehen lassen wollen. Im Frühjahr konnte sie nach ihm Ausschau halten. So lange musste sie durchhalten und durfte nicht den Freitod wählen. Sie würde ihn finden und ihren Kristall zurückgewinnen, koste es, was es wolle!
„Avanya, wir hätten einen Vorschlag für dich“, sagte Niyam zögernd. „Ich möchte dich von Herzen gerne mit zu meiner Sippe nehmen, aber du würdest dich bei uns wohl kaum wohl fühlen, und nicht alle würden dich freundlich aufnehmen. Roya meint, in der Nähe gibt es ein von den Menschen verlassenes Bergwerk. Vielleicht magst du dich dort für den Winter einrichten? Ich würde dir Vorräte bringen, alles, was du brauchst.“
„Natürlich, ich sehe es mir gerne an. Sofern dort kein Salz abgebaut wurde, werde ich mich zurechtfinden.“
„Dann lass uns losgehen. Vermutlich möchtest du nicht, dass ich dich hinfliege?“ Niyam lächelte, als sie entsetzt den Kopf schüttelte. „Wir müssen vorsichtig sein. Der Weg führt teilweise durch das Gebiet
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