Soehne des Lichts
niemand sie davon abhalten können. Niemand, außer Ilat. Und der war nicht nur gelangweilt, sondern inzwischen sichtlich genervt. Roen Orms Sitte, dass adlige Damen nicht zu unterbrechen waren, solange diese reden wollten, dagegen konnte selbst ein König sich nicht wehren.
Vielleicht schafft sie es ja, ihn so zu verärgern, dass er mich mit ihr weggehen lässt, bloß um seine Ruhe zu haben? Wahrscheinlich war das Alanées Ziel: Sie redete, klagte, jammerte, weinte in einem fort, und niemand durfte sie davon abhalten.
„Ich verbürge mich für Inani.“ Die Stimme, die in Alanées Schauspiel hineinsprach, war leise, dennoch fuhren alle Köpfe bei ihrem Klang herum. Rosanna stand inmitten des Saals, an ihrer Seite befand sich Maranis, Inanis Zofe.
„Mutter, was willst du denn hier?“ Ilat sah verärgert auf, aber dann seufzte er mit einem Ausdruck tiefer Erleichterung.
„Möglicherweise kannst du die edle Dame ja beruhigen, sie ist leicht außer sich“, flehte er.
„Leicht außer mir? Das will ich wohl meinen, ich habe gerade entdeckt, wer meine eigene Schwester wirklich ist, und nun will man mir noch das Kind wegnehmen!“, kreischte Alanée, doch Rosanna hob die Hand, und sofort wurde es still.
„Mein König, mein Sohn, ich verbürge mich für diese junge Hofdame. Ich habe Jahre mit ihr zusammen verbracht und weiß mit Sicherheit, sie ist genauso viel oder wenig Hexe wie ich selbst.“ Die Königinmutter drehte sich leicht, um Rynwolf ins Gesicht zu blicken und neigte den Kopf vor ihm.
„Als Erzpriester wisst Ihr gewiss, ob meine Worte die Wahrheit sind oder nicht“, sagte sie demütig.
Widerstrebend nickte er ihr zu. „Ihr habt nicht gelogen“, bestätigte er. Er fuhr sich nachdenklich durch sein vollbärtiges Gesicht, schien zu spüren, dass mehr an Rosannas Worten war, als er offensichtlich erkennen konnte.
Inani stockte der Atem. Rynwolf gehörte zu den ganz wenigen Sonnenpriestern, die Luftmagie beherrschten, deshalb hatte er ein instinktives Gespür für Lügen. So etwas konnten bloß Hexen, machtvolle Töchter des Lichts und Sonnenpriester erkennen … Hoffentlich glaubte er, die Königin vertraue auf die besonderen Kräfte eines Ti-Priesters, sonst wäre es um Rosanna geschehen.
„Wenn niemand vorhat, mich nun ebenfalls der Hexerei anzuklagen, will ich Inani in meine Obhut nehmen – nicht nur für die Reise. Seht selbst, der Schock über das, was ihre eigene Mutter ist, hat sie besinnungslos werden lassen. Eine Hexe hätte wohl eher versucht zu fliehen oder zu kämpfen, vermute ich?“
Die Spannung im Thronsaal war unerträglich. Jeder wusste, Ilat wollte nichts mehr, als seine Mutter, die seine Lebensweise, seine Entscheidungen, seine Pläne stets kritisiert und behindert hatte, endgültig loswerden. Sie als Hexe anzuklagen könnte ein leichter Weg für ihn sein.
Gereizt fuhr sich der König mit beiden Händen über das Gesicht, bevor er ungeduldig in Rosannas Richtung wedelte.
„Nimm sie mit, sie sei dein, Mutter! Dein neues Domizil in den Bergen ist gerade weit genug weg. Nimm die Dame Alamara oder wie auch immer gleich mit, wenn du schon dabei bist, ich will sie nie wieder sehen, verstanden? Rynwolf, kümmere dich um deine Angeklagte, nimm deine Priesterschar und lasst mich in Ruhe!“ Ilat sprang vom Thron und verließ mit langen Schritten den Saal. Für einen Moment herrschte vollkommene Stille. Dann beeilte sich jeder, den Weisungen des Königs zu folgen.
Maranis und Rosanna zogen Inani auf die Beine. Sie wehrte sich nicht, versuchte allerdings genauso wenig, den beiden Frauen zu helfen.
„Ich bleibe hier“, wisperte sie kaum hörbar. „Niemand wird mich aus Roen Orm forttragen können, bis meine Mutter entweder befreit oder verbrannt ist.“ Sie suchte Alanée Blick.
„Nenn mir deine Lebensaufgabe !“, befahl sie. Nie zuvor hatte sie gewagt, danach zu fragen, doch jetzt war es das Einzige, was sie noch wissen wollte.
„Ich bin der Amboss, auf dem die Klinge der Göttin geschmiedet wird. Shora ist der Hammer, der diese Klinge zu schmieden hat. Du bist die Klinge der Göttin! Gemeinsam sind wir an diese Pflicht gebunden, durch dich und mit dir untrennbar vereint. All die Jahre haben wir uns gestritten, welches der beste Weg sei, dich zu formen. Mehr als einmal haben wir gegeneinander gearbeitet.“
„Und nun ist deine Aufgabe beendet“, flüsterte Inani, alle Sinne auf das Gesicht der Frau gerichtet, die sie kaum mehr erkannte – sie zerfiel regelrecht vor
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