Soehne des Lichts
der anderen Seite der Himmelsberge, ihr müsst den Pass von Avanchan überqueren. Verstanden? Immer nach Osten auf die Berge zulaufen und ihr werdet auf die Überreste der alten Handelsstraßen stoßen, die euch unweigerlich zum Pass bringen. Osmege weiß nicht, wo die Tänzerin zu finden ist, er wird sich also auf mich konzentrieren und an die Berge hoffentlich nicht einmal denken. Ihr haltet euch von allen Wasseransammlungen fern, außer, wenn der Durst euch zu töten droht, klar? Ich stoße zu euch, sobald ihr Merpyn erreicht habt.“
„Mutter “, flüsterte Jordre entsetzt.
„Ich gebe euch meine Aquamarine mit. Tragt mindestens einen davon auf bloßer Haut, so wird der Tarnzauber aufrecht erhalten. Wenn ihr von Feinden umzingelt seid, werft ihnen die Steine entgegen, und rennt, was ihr könnt, jeder einzelne Aquamarin löst eine Springflut aus.“
Mit geschickten Fingern hatte Chyvile jeweils einen Edelstein an eine Lederschnur befestigt, welche sie den beiden Orn als Kette um den Hals hängte. Die restlichen Steine verstaute sie in zwei Lederbeuteln, die sie ihnen schweigend überreichte.
„Haben wir überhaupt eine Aussicht zu überleben? Ich weiß nichts von der Welt hier draußen“, wisperte Pera. „Es ist nicht so schlimm, wie ich dachte, und viel schlimmer, als ich es mir je hätte träumen lassen …“
„Jordre ist häufig an meiner Seite gereist, er kann dich vor den meisten Gefahren beschützen. Seid wachsam, alle beide.
Reist lieber langsam als durch zu große Hast unnötige Risiken einzugehen.“ Sie umarmte ihren Sohn und küsste seine Stirn.
„Pass auf sie auf, und auf dich genauso. Ich hasse es, euch allein lassen zu müssen, aber wenn ich die Bestien zu mir locke, wird eure Reise weniger gefährlich sein. Triffst du unterwegs auf andere Famár, gib dich ihnen zu erkennen, sie werden euch weiterhelfen“, flüsterte sie ihm ins Ohr. Dann zog sie Pera in ihre Arme.
„Benutze deinen Verstand, du hast genug davon. Benutze deine Wut, wenn du in Gefahr bist, sie gibt dir Kraft. Vertraue Jordre, er ist ein guter Mann.“
„Nun ja, jetzt bin ich ja sogar beinahe ordentlich mit ihm verbunden, wir tragen dasselbe Amulett“, erwiderte Pera mit schiefem Lächeln. „Wenn wir irgendwann Zeit finden, uns Tücher um die Gelenke zu binden und die Versprechen abzuleisten ...“
„Vielleicht findet sich das noch.“ Chyvile, küsste Peras Wangen und rutschte von ihrem Felsen herunter.
„Wartet, bis Chaos dort drüben am Flussufer losgebrochen ist, dann entfernt euch langsam Richtung Osten. Versucht nicht, mir zu helfen und dreht euch nicht ständig um! Ich werde mich nicht erwischen lassen, ich verspreche es.“
Mit diesen Worten ging sie fort, nach Westen, zum Ufer eines großen Flusses.
„Sie riskiert ihr Leben für uns.“ Tränen liefen über Peras Wangen, ohne dass sie es zu bemerken schien. Jordre unterdrückte den Impuls, sie ihr abzuwischen.
„Sie würde jederzeit für uns sterben, wenn es garantieren würde, dass wir unser dummes Schicksal erfüllen können“, zischte er mit geballten Fäusten. „Aber sie würde genauso für uns sterben, wenn wir irgendjemand wären. Irgendwelche Orn, die niemand kennt. Sie ist einfach so, und sie wäre wütend, wenn wir versuchen würden, sie daran zu hindern. Davon abgesehen ist sie ohne uns sehr viel beweglicher.“
Tumult brach los, ein gesamter Uferabschnitt schien plötzlich lebendig zu werden, als unzählige Kreaturen gleichzeitig losstürmten, um seine Mutter anzugreifen, die sich mitten im Wasser enttarnt hatte. Nur einen Herzschlag lang, um sofort wieder unsichtbar zu werden, auch für Pera und Jordre. Das Chaos wurde davongetragen, in wellenartigen Bewegungen den Fluss hinab, der in einer Biegung außer Sicht verschwand. Schon bald hörten die beiden nichts mehr, zögernd gingen sie los.
„Ob sie es überlebt hat?“, wisperte Pera kaum hörbar.
Entschlossen nickte Jordre ihr zu. „Sie ist die älteste Famár, sie kämpft bereits länger gegen Osmeges Kreaturen als irgendjemand sonst hier. Vermutlich lässt sie sich gerade einen Wasserfall herunterspülen und hat jede Menge Spaß dabei.“
Seine Stimme schwankte leicht, rasch senkte er den Blick. Er wollte es glauben. Er musste es glauben. Wenn er nicht mit aller Kraft daran glauben würde, dass seine Mutter in Merpyn auf ihn wartete, bereit ihn auszuschimpfen, weil er zu lange gebraucht hatte, dann könnte er sich genauso gut gleich auf den Boden fallen lassen und
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