Soehne des Lichts
warten, bis der Tod ihn fand.
Eine schmale Hand griff nach ihm, umklammerte haltsuchend seine Finger. Er nickte Pera zu und brachte sie nach Norden in ein Tal hinab, auf eine Route, die sie anschließend östlich in die Berge führen würde. Es erfüllte ihn mit grimmigem Stolz, dass er genug von der Welt wusste, um solche Wege zu erkennen. Chyvile hatte es ihn gelehrt.
Sie lebt. Ich weiß es …
13.
„Zuhause, das ist der mythische Ort, nach dem sich ein jeder sehnt, der in der Fremde verloren ist. Ein Ort des Segens, wenn die, die dich umgeben, in Liebe mit dir verbunden sind. Ein Fluch für all jene, die dort ihre Feinde wissen und nicht entfliehen können. Und wer verloren war und nach Hause zurückkehrt, wer kann wissen, ob die einst Liebenden nicht inzwischen Feinde sind? Es vielleicht schon immer waren?“
Zitat aus „Zwischen den Welten“, Reiseerinnerungen, von Erim Hargalt, Adliger aus Roen Orm
Niyam schritt langsam unter dem Schatten der Bäume einher. Sie waren rasch vergangen, all diese Jahre, die er fern von daheim gewesen war. Würde seine Sippe ihn erkennen? Würde man ihn aufnehmen? Seine Freunde, würden sie ihm verzeihen? Gequält schloss er die Lider. Vergessen hatte er gesucht, Heilung im Fluss der Zeit. Doch der Schmerz war ebenso brennend wie damals. Die Schuld. Sie hatte ihn fortgetrieben zu dieser Queste, der Suche nach etwas, was es vielleicht niemals gegeben hatte.
Ja, es war viel Zeit vergangen, aber nun, da er die Nähe seiner Sippe spürte, brachen alle Narben wieder auf.
Roya …
Niyam straffte die Schultern und schüttelte die Flügel durch. Es war Zeit, Roya in die Augen zu blicken. Sie um Verzeihung anzuflehen. Sollte sie ihn verdammen, würde er ...
Irgendetwas tun. Was auch immer, darum würde er sich kümmern, wenn es soweit gekommen war.
Seine Gedanken irrten weiter in der Vergangenheit, konnten sich nicht von dem Schrecken lösen, den er Jahrzehnte lang versucht hatte zu verdrängen.
Fanven saß bei Niyam, gemeinsam hielten sie Wache. Sie waren enge Freunde seit frühester Kindheit. Still saßen die beiden jungen Krieger im Geäst der Bäume verborgen, ihre Speere bereit, sollte sich irgendetwas den Frauen nähern, die auf der Lichtung unten Beeren, Heilkräuter und Pilze sammelten. Roya, Fanvens Gefährtin, winkte ihnen fröhlich zu, bevor sie ihren Freundinnen folgte. Die vier Loy-Frauen hatten ihre Rückentragen bereits hoch gefüllt. Es war gefährlich zurzeit, sich in diesem Teil des Waldes aufzuhalten. Nicht nur der Clan der Eulen, eine verfeindete Sippe, bereitete ihnen Probleme, sondern vor allem menschliche Krieger.
Irgendwelche Länder der Menschen führten Krieg gegeneinander, feindliche Elfen spielten wohl ebenfalls eine Rolle. Zumindest zogen schwer bewaffnete Gruppen durch die Lande und streiften auf der Suche nach Feuerholz und Jagdwild gelegentlich das Gebiet der Loy.
„Wir können aufbrechen“, sagte Banya, und flog zu den Kriegern empor.
„Wo ist Roya?“ Suchend blickte Fanven sich nach seiner Gefährtin um.
„Sie sagte, sie wolle noch etwas Weidenrinde nehmen, sie kommt sicher jeden Moment.“
„Fliegt schon mal voraus, ich sehe nach ihr“, erbot sich Niyam lächelnd. Er wartete bereits lange auf eine Gelegenheit, kurz allein mit Roya zu sprechen. Ihr kleiner Sohn Misham war ein viel versprechender Krieger, Niyam wollte den Jungen gerne als Namark annehmen, als persönlichen Schützling. Ausschließlich die Mutter konnte über ein solches Angebot entscheiden. Es gab zwar keinen Grund, warum sie etwas dagegen haben sollte, dennoch – falls Roya ablehnen würde, wollte Niyam mit ihr in diesem Moment unbeobachtet sein.
Fanven zögerte, lauschte in den Wald hinein. Als sich nichts rührte, zuckte er mit den Schultern.
„Beeilt euch, wir treffen uns an der großen Tanne.“
Es waren wenige Flügelschläge bis zu den Weiden. Von Roya war nichts zu sehen. Alarmiert landete Niyam und packte seinen Speer fester. Er fand Spuren, Fußabdrücke und Zeichen, dass sie die Rinde des Baumes angeritzt hatte, Roya hingegen fand er nicht.
„Roya?“, rief er halblaut. Vielleicht hatte sie noch ein wertvolles Heilkraut entdeckt, oder einem dringenden Bedürfnis folgen müssen? Niemals wäre sie grundlos außer Rufweite gewandert!
Plötzlich waren alle seine Sinne wach. Jemand beobachtete ihn. Jemand war in der Nähe. Niyam spürte, er wurde gejagt, und das Raubtier besaß nur zwei Beine.
Er ging in Angriffsstellung, bereit,
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