Soehne des Lichts
und ich uns zu beugen haben. Wir müssten erst diplomatische Kontakte aufnehmen und Verhandlungen führen. Ohne Warnung angreifen, das würde zu undenkbaren Verwicklungen führen. Andere Provinzen würden in den Krieg eingreifen, unsere eigenen Bürger könnten sich gegen die Obrigkeit empören. Letzten Endes wäre es möglich, dass Roen Orm fällt.“
„Erzähl mir nicht, was ich zu tun habe! Ich will ein Schwert in der Hand halten und Blut vergießen. Sag mir nicht, dass ich jahrelang warten muss, bis du irgendwelche Unterhändler geschickt hast, denk dir was aus!“
Rynwolf verneigte sich stumm und drehte sich auf dem Absatz um. Das bedeutete nichts Gutes ... Der König erwies sich als wesentlich größeres Übel als er jemals befürchtet hatte.
Mit raschen Schritten eilte Rynwolf durch die Gänge des Palastes, bis er den Leibdiener des Königs fand.
„Hier, besorge einen Krug Wein und gib dieses Pulver dazu!“, befahl er dem jungen Adligen, der sich vermutlich vor Ilats Zorn versteckt hatte. „Es wird deinem König nicht schaden, nur dafür sorgen, dass er sich etwas beruhigt und Schlaf findet. Ihre Majestät ist ...“ Rynwolf senkte seine Stimme zu einem kaum hörbaren Wispern. „Er ist krank. Aber sei unbesorgt, Ti wacht über die Seinen. Geh, hab Vertrauen.“ Der Diener nickte, umklammerte bleich und verängstigt das Beutelchen mit der Medizin. Rynwolf sprach einen nachlässigen Segen, dann endlich rannte der Diener los, um seiner Pflicht nachzukommen. Rynwolf verdrehte ungeduldig die Augen. Ein Ärgernis, die ganze verworrene Angelegenheit! Hoffentlich trank Ilat den Wein statt mit ihm den Boden zu wässern. Das Schlafpulver war teuer, und seit sich dieser verfluchte Loy heimlich aus der Stadt geschlichen hatte, war der Nachschub eingebrochen.
Nun, jetzt galt es, Ruhe zu bewahren und das Beste aus der Sache zu machen. Ein sinnloser Krieg war Gift für Enra, für Roen Orm, für Rynwolfs weit reichende Pläne. Andererseits würde ein König, der fern von seinem Thron war, ungeahnte Möglichkeiten bieten. Wenn man es geschickt anstellte, konnte man sogar dafür sorgen, dass Ilat niemals nach Hause zurückkehrte, ohne damit gleich einen Bürgerkrieg zu entfachen. Das würde natürlich zahlreiche Vorbereitungen erfordern, gründliche Planung, ein wenig göttliche Fügung.
„Wo ist Janiel?“, frage er den nächstbesten Novizen, der ihm im Tempel über den Weg lief.
„Im Archiv, Euer Exzellenz.“ Der Junge verneigte sich ehrerbietig. Alle fürchteten ihren Erzpriester, wenn seine Miene so finster war und sein Blick Feuer zu sprühen schien. Er hatte lange daran gearbeitet.
Das Archiv, natürlich. Janiel war ein Träumer, ständig mit der Nase in den Schriftrollen. Rynwolf fluchte lautlos. Verweichlicht, dieser Junge, viel zu weich! Was hatte er für gute Anlagen, sowohl als Schwertkämpfer als auch in magischer Hinsicht, aber er nutzte nichts davon. Ständig mit dem Kopf in den Wolken. Janiel verzettelte sich mit Kleinigkeiten und übersah dadurch das Gesamtmuster. Sollte er den Körper trainieren, dachte er über die Schmiedekunst nach, sollte er seine Magie üben, konnte er nicht stillsitzen. Gab man ihm Gelegenheit zu studieren, wollte er reiten, sollte er mit Pferden arbeiten, sehnte er sich nach den Schriftrollen. Dazu war er widerspenstig, ständig widersprach er, diskutierte über Dinge, von denen er vielleicht irgendeine Notiz gelesen haben mochte und sich einbildete, er wüsste mehr als jeder andere. Rynwolf schüttelte den Kopf. Ärgerlicherweise wusste der Junge tatsächlich mehr als die meisten anderen, das machte es nicht leichter. Ein brillanter Geist, nur ohne Disziplin und Respekt. Das musste der Grund sein, warum jemand mit solch einem großen magischen Potential kaum eine Kerze entzünden konnte. Janiels Feuermagie ließ nicht bloß zu wünschen übrig, sie wollte sich schlicht nicht weiterentwickeln. Die Jahre mit Garnith und dessen steigendem Wahn hatten wohl irreparablen Schaden angerichtet. Immerhin, er kam gut mit Ilat zurecht. Womöglich, weil Ilat ebenfalls ein brillanter, flatterhafter Geist war?
Rynwolf lächelte grimmig und fasste einen Entschluss.
„Janiel? Leg das weg und komm sofort in mein Studierzimmer“, befahl er, als er ihn an einem Schreibpult entdeckte, halb verborgen von mehreren Stapeln verstaubter Schriftrollen.
„Herr? Vergebt mir, noch einen Moment. Ich lese gerade etwas über den Gründungsmythos der Stadt, Ihr hattet doch angeregt, dass ich
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