Soehne des Lichts
...“
„Vergiss das und komm mit. Sofort!“ Zufrieden beobachtete Rynwolf, wie der junge Mann zusammenzuckte und hastig die Schriftstücke forträumte. Die letzten Lektionen in Gehorsam und Disziplin hatten also zumindest einen gewissen Eindruck hinterlassen. Drei Nächte in Folge auf den Knien liegen und zu Ti beten, dazu an den Tagen dazwischen sowohl Stall- als auch Küchendienst übernehmen, das würde wohl noch den dümmsten Mann dazu bringen, Befehle zu befolgen statt sie zu diskutieren. Obwohl Janiel tatsächlich versucht zu sein schien. Rynwolf seufzte. Egal wie brillant und begabt, der Junge hatte es nicht wirklich in sich, zu seinem Nachfolger herangezogen zu werden. Zu weich eben, zu neugierig auf das Leben, auf die Wissenschaft. Er würde auch in zehn oder zwanzig Jahren keinen Politiker, keinen Taktierer aus Janiel formen können. Nein, es war besser, ihn erst einmal mit Ilat fortzuschicken, der Krieg würde Janiels Konzentration und Disziplin schärfen. Danach würde er ihn als Ausbilder für die Novizen einsetzen, oder ihm vielleicht die Leitung des Archivs übergeben.
„Euer Exzellenz?“, fragte Janiel eifrig, als sie die privaten Räume des Erzpriesters betraten.
„Ich benötige innerhalb einer Stunde einen schriftlichen Bericht über alle Provinzen Enras, die in irgendeiner Form Ärger für uns bedeuten. Sei es, dass sie ihrer Steuerpflicht nicht nachkommen, sei es, dass sie in kriegerischen Handlungen mit anderen Gebieten verstrickt sind.“
„Wozu, Herr?“
Rynwolf starrte ihn stumm an. Der Junge erschrak und senkte schuldbewusst den Blick.
„Natürlich, ich werde sofort anfangen. Aber ...“
„Kein aber, Janiel. Tu, was ich dir befohlen habe, du musst die Hintergründe nicht verstehen. NEIN, musst du nicht.
Wenn du merkst, dass die Zeit nicht ausreicht, konzentriere dich vor allem auf die Ländereien in unmittelbarer Umgebung.“
Mit zusammengekniffenen Augen verneigte sich Janiel stumm und eilte hinaus. Zufrieden erkannte Rynwolf, dass sich sein Schützling bereits innerlich in seine Aufgabe verbissen hatte. Er würde Informationen finden und zusammentragen, die sonst so schnell niemand entdecken würde. Janiel konnte sehr nützlich in solchen Dingen sein.
Wenn er nur ... Ein Jammer. Ti in seiner Weisheit hatte gewiss Gründe, warum er Janiel genau so und nicht anders geformt hatte.
17.
„Der Unterschied zwischen einer Tochter des Lichts und einer Tochter der Dunkelheit ist fließend. Beide mögen Heilung für die Kranken, Trost für die Schwachen und Hilfe für die Verlorenen bringen. Doch während die Töchter des Lichts stets das Gute erreichen wollen, versuchen die Töchter der Dunkelheit, stets das Richtige zu tun. Verstehe, dies ist nicht dasselbe. Sie sind nicht weniger fähig, die Töchter des Lichts. Aber sie wurden nie darin ausgebildet, das Richtige zu tun. Vielleicht ist das ein Fehler ...“
Yosi von Rannam, „Töchter der Dunkelheit“
„Bist du dir ganz sicher, dass wir hier richtig sind?“, fragte Inani leise. Seite an Seite mit Corin spazierte sie durch die Straßen der kleinen Stadt. Sie befanden sich weit im Süden des Landes, die Sonne brannte heiß auf ihre Köpfe nieder. Die Menschen in Barrand waren lauter als in Roen Orm und hitziger im Gemüt. Es schien ihnen unmöglich, sich ruhig zu unterhalten, sie mussten alles lauthals herausschreien. Corin fühlte sich sichtbar unwohl, und auch Inani wäre lieber woanders gewesen. Sie fielen auf mit ihren Wollkleidern, ihren hellen Haut- und Haarfarben – alle um sie herum waren dunkelhaarig, sonnengebräunt und trugen weiße fließende Gewänder.
„Entschuldige, die Zeichen waren eindeutig“, murmelte Corin unglücklich. Sie schien unter den misstrauischen Blicken zu leiden, die man ihnen zuwarf, genauso wie unter den anzüglichen Bemerkungen, die sie zum Glück nicht verstehen konnte. Inani allerdings schon, sie hatte den hiesigen Dialekt in Roen Orm erlernt.
„Deute die Zeichen bitte noch einmal. Hier möchte ich nicht zu lange bleiben“, flüsterte sie ihrer Freundin zu und zerrte sie in dichteres Menschengedränge hinein. „Komm, immer in Bewegung bleiben, und vor allem nicht in einsamen Gassen erwischen lassen“, fügte sie hinzu, als Corin vor den Menschenmassen zurückschreckte.
„Dort lang.“ Corin wies auf eine Straße, die in Richtung Hafen führte. Inani betete stumm, dass jetzt, mitten am Tag, diese Gegend nicht allzu gefährlich für zwei auffällige junge Frauen
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