Soehne des Lichts
nach ihrer seelischen Bindung zur Kyphra. Wesentlich behutsamer als in den Jahren zuvor, ihre jüngsten Erfahrungen hatten Spuren hinterlassen. Esta nickte wohlgefällig, als Inanis Haare sich schwarz färbten und ihre Haut etwas dunkler wurde. Sie wusste, der grünliche Schimmer ihrer Augen wirkte etwas starr, aber nicht unmenschlich.
„Gut, sehr gut ... so etwas habe ich seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen!“ Sie holte einige Kleidungsstücke aus einer Truhe und hielt sie Inani an. „Du bist nur etwas dünner als ich, die Größe stimmt. Diese Tuniken dürfen ruhig weit fallen, damit kannst du dich unauffällig unter das Volk mischen. Für dich habe ich leider nichts.“ Bedauernd nickte sie Corin zu, die deutlich kleiner war.
„Das ist in Ordnung so, Corin wird mir auf andere Weise folgen. Kannst du mich in den Palast bringen?“
„Nun, ich selbst nicht, ich kenne da allerdings jemanden ...“
~*~
Inani schlich lautlos durch die düsteren Gänge. Von außen war der Fürstenpalast von Barrand ein wundersamer Anblick aus weißem Marmor und goldenem Zierrat, umgeben von Springbrunnen und weitläufigen Gartenanlagen. Er wirkte verspielt und anmutig im Vergleich zu den Prachtbauten von Roen Orm. Von innen war er ein Alptraum aus verwinkelten Gängen, unvermutet auftauchenden Treppen und viel zu vielen Türen. Schon viermal hatte Inani sich verlaufen und wünschte sich sehnsüchtig Corin an ihre Seite. Ihre Freundin saß im Moment allerdings in einem der obersten Türme verborgen und amüsierte sich still. Sie waren innerlich verbunden, Corin sah alles, was Inani sah, sie teilten alle Sinneseindrücke und Gedanken miteinander. Das war anstrengend genug für beide, darum bewegte sich Corin nicht und hielt die Augen fest geschlossen, um Inani nicht zu verwirren. Leider war es unmöglich, dass Corin ihr einen Rat geben konnte, ihre besonderen Instinkte wirkten nicht, da Inani sich an einem anderen Ort befand als sie selbst.
Esta hatte Wort gehalten, ihre Schwiegertochter hatte eine Freundin, deren Nachbar jemand kannte, dessen Tante ... und so weiter, jedenfalls war es über weitläufige verstrickte Beziehungen geglückt, Inani innerhalb weniger Stunden als Waschfrau in den Palast einzuschmuggeln. Getarnt mit Schürze und Kopftuch fiel sie niemandem auf, zusätzlich hatte sie Hände und Arme mit Nesselkraut traktiert, um sie rot, aufgequollen und wund erscheinen zu lassen – eben wie eine Wäscherin, die stundenlang mit heißem Wasser und Lauge gearbeitet hatte. Das überaus schmerzliche Jucken und Brennen lenkte Inani ein wenig ab, aber sie war geübt darin, Schmerzen auszublenden und trotzdem zu funktionieren. Ein kleines Opfer, das sie gerne erbrachte, sollte es sich als nützlich erweisen. Wenn sie jetzt endlich die Kapelle finden würde, wäre alles perfekt!
Still fluchend öffnete Inani die vermutlich fünfhundertste Tür, tastete sich die vermutlich zehntausendste Treppenstufe herunter, in ihren Bewegungen behindert von dem großen Stapel Altartücher, den sie zur Tarnung schleppte. Hätte die Vorsteherin der Wäscherei nicht etwas sorgsamer sein können mit ihrer Wegbeschreibung?
„Ich glaube, du bist auf dem richtigen Weg, sie hatte etwas von einem Gang erwähnt, der am östlichen Innenhof entlang führt. Und das da neben dir sieht wie Osten aus “, sagte Corin in ihrem Bewusstsein, mit nur einer Andeutung von Humor in der Stimme.
„Wunderbar. Danach sollte ich mich links halten, oder ?“, knurrte Inani gereizt.
„ Rechts. Ganz sicher. Rechts, durch den Torbogen, über die kleine Brücke, an der Wehrmauer entlang ... “
„ Stopp! Das reicht. Wer lebt in so einem Irrgarten? Welcher Wahnsinnige hat solch einen Palast gebaut? Dagegen ist der Roen Ormsche Fischermarkt ja ein geordneter Hinterhof !“
„ Man sollte meinen, die Frau, die in Nola-Tunneln ebenso daheim ist wie im Urwald von Kireon würde sich von so ein bisschen Treppenwirrwarr nicht weiter fehlleiten lassen.“ Corin kicherte.
„Normalerweise benutze ich den Nebel oder kann entweder dir oder meiner Leopardin hinterher laufen. Orientierungssinn gehört offensichtlich nicht zu meinen natürlichen Talenten.“
„Man muss ja nicht alles können, solange man weiß, wen man fragen darf.“
„Du genießt das alles viel zu sehr!“, schnaubte Inani innerlich. Sie wollte Corin nicht wissen lassen, welche Ängste sie quälten. Es wäre so leicht, sich den Raubtierinstinkten anzuvertrauen und Cero aufzuspüren. Viel zu
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