Soehne des Lichts
nicht zu stark war, damit der Fürst nicht in Reptilienaugen blicken musste, und hob mit vorgeblicher Scheu das Gesicht.
„Du bist keine Dienerin“, stellte er sachlich fest, nahm ihr die Tücher ab und trug sie ohne jede Hast zum Altar. Inani blieb still stehen, unsicher, welche Reaktion jetzt die klügste wäre.
„Du bist ... hm, ich weiß nicht, ich spüre etwas an dir, das ich sonst nur bei den Priestern fühle, es ist … du bist anders.“
Er musterte sie neugierig, mittlerweile mit einer gewissen Anspannung, als wäre er bereit, sie beim ersten Anzeichen von Gefahr niederzuschlagen.
„Bitte, beleidige mich nicht mit deiner Maskerade. Sag mir, was du willst, dann kann ich es dir geben oder verweigern, Frau.“
Inani sah ihn nun voll an und ließ jeden Anschein von ängstlicher Scheu oder Schwäche fallen.
„Es lag nicht in meiner Absicht, Euch zu beleidigen, Fürst von Barrand“, erwiderte sie. Langsam ließ sie ihre Verbindung zur Kyphra los und gestattete ihrem Körper, sein natürliches Äußeres anzunehmen. Unbewegt beobachtete Cero die Verwandlung.
„Eine Hexe, nehme ich an? Eine Dunkle Tochter der Pya? Die Priester sagen, dass ihr bloß Legenden und Aberglauben seid.“
„Ganz recht. Gewisse Söhne des Lichts wären glücklich, wenn es uns nur in Legenden gäbe, doch das Leben ist nicht dafür gedacht, es den Sterblichen allzu bequem zu machen.“
„So ist es.“ Der Fürst neigte mit respektvollem Ernst den Kopf. „Ich habe deine Magie gespürt, Tochter der Pya, Gefahr hingegen nicht. Auch jetzt scheinst du mich nicht zu bedrohen, und du sprichst höflich. Was willst du von mir? Du wolltest mich nicht beleidigen noch mein Gebet stören, was ist also deine Absicht gewesen?“
„Ich wollte Euch kennen lernen. Es ist der Grundsatz der Dunklen Töchter, das Richtige tun zu wollen. Es gelingt uns nicht immer, was bloß bedeutet, dass wir uns die größte Mühe geben müssen. Ich habe eine Entscheidung zu treffen und will dabei keinen Fehler machen.“
„Und welche Entscheidung ist das? Betrifft sie nur mich oder den Thron von Barrand als solchen?“
„Genau darüber bin ich mir noch nicht im Klaren, edler Herr. Nun entschuldigt mich. Entscheidungen sollten nicht ohne gründliche Überlegung getroffen werden.“ Inani verneigte sich ehrerbietig und drehte sich um. Es war unhöflich, einfach zu gehen, doch sie fürchtete, zu viel zu verraten, wenn sie weiterhin sprach, ohne ihre Absichten überdacht zu haben.
„Bist du meine Feindin, Tochter der Pya?“ Ceros leise Stimme hielt sie zurück.
„Ich hoffe nicht. Es wäre sehr bedauerlich, um nicht zu sagen, ein Verlust für diese Welt“, erwiderte sie. Dann schritt sie voran, in die Schatten, bis sie sicher war, dass sein aufmerksamer Blick ihr nicht mehr folgen konnte, und floh über die Nebelpfade zum Turm, in dem Corin auf sie wartete.
18.
„Wenn du im Kampf nicht töten willst, ist das deine Entscheidung. Dein Gegner wird dazu seine eigene Meinung haben.“
Ehrenkodex der Nola
„Das war beeindruckend!“, flüsterte Corin, kaum, dass Inani sich neben ihr zu Boden hatte fallen lassen. Hier oben war nicht genug Platz für sie beide, aber sie konnten sicher sein, dass niemand sie entdecken würde. Inani erschauderte kurz, die starken Winde in dieser Höhe waren kühl. Unwillkommen waren sie nicht, Inani konnte eine Erfrischung dringend gebrauchen nach der Hitze des Tages. Geistesabwesend rieb sie über ihre brennenden Arme.
„Esta ist eine Närrin! Cero zu töten würde vielleicht einen Krieg verhindern – sollte das seine Absicht sein! –, trotzdem wäre es die dümmste Entscheidung überhaupt.“
„Nun, einen Krieg verhindern zu wollen ist erst einmal ein guter Plan. Cero würde seine Krieger in den Tod führen, für nichts und wieder nichts.“
„Ich weiß nicht, Corin, es steckt sicher mehr dahinter. Cero ist ein tiefgläubiger Mann, doch er würde keine Kriegsarmada gegen Roen Orm führen, bloß weil ein halbes Dutzend seiner Priester glaubt, sie wären im Besitz der einzigen Weisheit.“
„Und wie willst du herausfinden, ob deine Vermutung stimmt? Du weißt, Wahnsinn verbirgt sich gerne hinter Strenggläubigkeit. Willst du ihn noch einmal aufsuchen?“ Corin lächelte verschmitzt. „Er ist vielleicht etwas zu alt für dich, das muss kein Hindernis sein.“
„Lass das!“, rief Inani mit einem verlegenen Lachen. „Nein, ich leugne nicht, er fasziniert mich. Aber nicht auf diese Weise. Hm, ich will
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