Soehne des Lichts
schrien die anderen auf, und noch mehr Chaos entstand: Priester, die vor ihr flüchten wollten, andere, die sie voller Zorn anzugreifen versuchten, und einige, die vordrangen, um die Gefallenen zu bergen.
Inani hatte langsam genug von dem Tanz, so vergnüglich sie die Gelegenheit zum Kampf normalerweise empfunden hätte, jetzt war nicht die richtige Zeit dafür. Leicht federte sie in die Knie, wurde zu einem Wirbel aus schwarzem Stoff und blitzender Klinge. Dann sprang sie hoch, höher, als es einem Menschen möglich sein sollte. Die völlig verwirrten Priester konnten Inani nicht mehr folgen, leichtfüßig huschte sie über die Köpfe ihrer Angreifer hinweg, berührte kaum Schulter und Rücken der Männer, während sie neuen Schwung holte. Ein mehrfacher Überschlag katapultierte sie ins Freie, in den Innenhof hinein. Ohne einen Moment aus dem Takt zu geraten rannte sie fließend weiter, gelangte zur Außenmauer. Gerade wollte sie sich verwandeln, um hinüberspringen zu können, da spürte sie die Gefahr. Ein Schatten, mehr sah sie nicht. Das Schwert war ihr beim Sprung entglitten, darum konnte sie bloß ausweichen, um dem Angriff zu entgehen. Ihr Gegner war schnell, viel schneller als die Priester. Einige Minuten lang entbrannte ein tödlicher Kampf. Inani war entzückt: Noch nie zuvor hatte sie einen Gegner gehabt, der ihr so ebenbürtig war. Was sie ihm an Schnelligkeit und Geschick voraus hatte, glich er durch Erfahrung, Kraft und die Reichweite seiner Waffe aus. Erbarmungslos suchte er eine Schwäche, ein Nachlassen der Aufmerksamkeit, während sie ihn unentwegt mit Tritten und Schlägen bedachte und seiner Klinge auswich. Es reizte sie, dass sie ihn nicht entwaffnen konnte. Egal, wie sehr sie sich mühte: Er konnte ihr standhalten.
Inani drehte sich in letztmöglichem Augenblick unter einem Hieb, der sie ansonsten den Kopf gekostet hätte, und fand sich plötzlich in Bedrängnis: Eine Mauer im Rücken, eine weitere Mauer zur Linken, von vorne ein wild entschlossener Angreifer, der sie unbarmherzig attackierte, zur Rechten stürmten die Geweihten heran.
Zwei Möglichkeiten, nur zwei. Aufgeben und sterben. Oder den Angreifer töten. Inani zögerte den Bruchteil einer Sekunde, wollte weder das eine, noch das andere. Alles schien sich zu verlangsamen, als sie ihre gesamte Aufmerksamkeit auf den Mann fokussierte, der mit dem Schwert vorstieß.
Sie konnte ihn nicht entwaffnen, dafür war er zu schnell. Sie konnte keine Magie anwenden oder sich verwandeln, nicht ohne einen weiteren Moment der Konzentration. Sie konnte dem Stoß nicht ausweichen, dafür war kein Platz und noch weniger Zeit. Sie könnte ihn töten, wenn sie bereit war, sich dabei verletzen lassen.
Nein.
Also warf sie sich zur Seite, soweit es noch ging, und empfing den Stahl, der ungehindert durch Haut und Muskeln glitt. Der Schmerz, den sie erwartete, blieb aus. Inani spürte nichts als die Wucht des Aufpralls, das Reißen in ihrem Leib. Sie hörte, wie das Schwert über Knochen schabte, den entsetzten Ruf des Angreifers. Kälte.
Dann ein neuerlicher Ruck, als die Klinge aus ihrem Körper gezerrt wurde. Die Welt drehte sich ... und wurde dunkel.
19.
„ Wenn alles eine Lüge zu sein scheint, woran erkennt man die Wahrheit? Manchmal gibt es sie einfach nicht, manchmal findet man sie nicht, und manchmal ist es die größte Lüge, die zur Wahrheit wird.“
Zitat, Ursprung unbekannt
Entsetzt ließ Cero das blutige Schwert fallen und starrte auf die stille Gestalt der
Hexe. Er hatte sie nicht töten, nicht einmal verletzen wollen! Lediglich gefangen nehmen, sie zwingen, mit ihm zu reden, und dann entscheiden, ob sie eine Gefahr bedeutete oder nicht. Sie war so eine starke Gegnerin gewesen, wie er es nie zuvor erlebt hatte, in den all den Jahren als Krieger nicht. Rasch kniete er nieder, suchte nach Zeichen, dass sie noch lebte. Er wusste, was sie getan hatte, er hatte es in ihren Augen gesehen. Sie hätte ihn töten oder schwer verletzen können und hatte es verweigert, mit dem vollen Wissen um die Konsequenz. Cero stöhnte auf, als er die Frau auf die Seite drehte und all das Blut sah. So viel Blut ... Er legte die Hand an ihre Kehle und spürte unter seinen Fingern ihren Puls flattern. Zu rasch, wenn auch noch recht kräftig. Im Schein der Fackeln untersuchte er ihre Wunde. Die Klinge hatte sie nicht von vorne in die Brust getroffen, wohin er gezielt hatte, sondern seitlich. Unter der Schulter war die Waffe durchgedrungen, an
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