Soehne des Lichts
den Knochen vorbei. Oberhalb des Herzen, allerdings so tief, dass zweifellos ihre Lunge getroffen war. Das leise Röcheln, das ihre hastigen Atemzüge begleitete, das Blut, das ihr aus Mund und Nase lief, bewies seine Befürchtung. Cero schüttelte bedauernd den Kopf. Hier gab es nichts mehr zu tun. Die Hexe würde in den nächsten Minuten sterben. Ein Jammer, sie hatte ihn fasziniert.
Er erhob sich widerstrebend und suchte den Blick der Priester.
„Hat es Tote gegeben?“, fragte er Bryl, den Tempelvorsteher.
„Nein, Herr, ich meine, doch, aber nur sechs, seltsamerweise, obwohl sie mehr als genug Gelegenheit hatte. Sie war so mächtig, ich hätte es mir nie träumen lassen ...“ Bryl stand sichtbar unter Schock. Ihm zitterten die Hände, seine weit aufgerissenen Augen hingen an der regungslosen Frau, die dort in ihrem eigenen Blut ertrank.
„Wir hatten überhaupt noch nie eine Hexe gesehen. Es gibt keine Hexen in Barrand.“
Er drehte sich um und brüllte in Richtung Tempel: „Hört auf, eure Magie zu verschwenden, die Hexe ist tot!“
Cero wollte etwas sagen, als plötzlich Nebel aufwallte. Eine schwarze Raubkatze sprang mit gebleckten Zähnen auf ihn zu, dicht gefolgt von einer riesigen Schlange, die drohend aufgerichtet war. Cero erstarrte. Ganz langsam bewegte er die Hand zu seinem Schwertgriff. Die Katze duckte sich sprungbereit. In ihren Augen lag so viel Intelligenz, sie schien genau zu wissen, was er vorhatte. Wie war das möglich?
„Zurück! Weicht zurück, mein Fürst! Das sind Hexentiere, sie wollen ihre Herrin schützen und werden jeden, der ihr zu nahe kommt töten!“, schrie Bryl mit überschlagender Stimme. „Vorsichtig, sie werden Euch gehen lassen. Ihr müsst in den Tempel, bevor das Weib den letzten Atemzug ausgehaucht hat. Die Biester werden Rache nehmen!“
Ein Vogel schoss über die Mauer und so dicht an Cero vorbei, dass ihn sein Flügel streifte. Er erkannte verblüfft, dass es eine weiße Taube war, bevor sich das Tier zu Boden stürzte und in eine Frau verwandelte.
„Inani!“ Sie warf sich mit einem panischen Schrei über die sterbende Hexe.
Die Priester rührten sich nicht, wohl schockiert von der Erkenntnis, dass jetzt die zweite Dunkle Tochter in ihrer Mitte aufgetaucht war. Niemand wagte es, sich zu rühren, um die Raubtiere nicht herauszufordern, die nun beide Frauen beschützten. Cero beobachtete gebannt, wie die blonde Hexe die Lider schloss und die Hände auf die Brust der Verletzten legte. Energiewellen strahlten von ihr aus, die Ceros Haare zu Berge stehen und die Luft bläulich flimmern ließ. Die Hexe – Inani? – stöhnte und begann sich zu regen.
„Corin? Was machst du hier?“
„Ruhig, Inani, mach langsam, ich weiß nicht, ob es schon gut ist“, hörte er die blonde Frau in der Sprache von Roen Orm flüstern. Er sprach selbst fließend Roensha, es war seine Muttersprache.
„Lass, es hat gereicht. Ich bin ...“ Inani sackte zurück, in die Arme ihrer Gefährtin, offensichtlich zu schwach, um sich aufrecht zu halten. Corin schaute über die Schulter hoch zu Cero.
„Ihr versteht mich?“, fragte sie leise. Als er ihr zunickte, fuhr sie fort: „Ihr wisst nicht, was für ein Opfer sie bereit war, für Euch zu geben. Niemand hat je diese Hexe besiegen können.“
Er betrachtete sie nachdenklich, versuchte zu ergründen, was er in Corins Gesichtsausdruck sah: Machte sie ihm Vorwürfe? Oder lag tatsächlich eine Mischung aus Staunen und Anerkennung in ihren hellen Augen?
„Warum? Warum hat sie das getan? Sie hätte mich töten können“, fragte Cero und trat einen Schritt näher. Sofort grollte der Panther warnend, sein Nackenfell war gesträubt.
Inani streckte die Hand nach dem Raubtier aus, das sich sofort ruhig an die Seite seiner Herrin legte, ohne den Blick von Cero zu wenden.
„Wir sind in einer unschönen Situation, verehrter Fürst“, sagte sie matt. „Ihr könnt uns nicht anrühren, wir allerdings können nicht fliehen, ohne vorher die Priester umgebracht zu haben. Nicht wahr?“ Die letzten Worte sprach sie auf Barrendi, an den Tempelvorsteher gewandt. Der zuckte hektisch und starrte sie verblüfft an.
„Ich würde unseren Kampf gerne fortsetzen, Eure Exzellenz, aber das wird wohl frühestens morgen wieder möglich sein.“ Sie lächelte spöttisch. Ihre bleiche, schweißbedeckte Haut ließ allerdings keinen Zweifel, dass sie Mühe hatte, sich auch nur bei Bewusstsein zu halten.
„Wenn du deine Wächter überreden könntest, mich
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