Soehne des Lichts
Fürsten. Er beherrschte sich ausgezeichnet, ein beeindruckender Mann. Was sie bereits vorher gewusst hatte. Mit sparsamer Geste zerriss sie das magische Gefüge der Welt und rief den Nebel herbei. Cero zauderte kurz, als er vollständig von den Schwaden umhüllt war und nichts mehr erkennen konnte, abgesehen von ihr und den Raubtieren, ließ sich jedoch willig weiterziehen.
„Wir dürfen nicht längere Zeit stehen bleiben, sonst verlieren wir den Weg“, sagte sie leise. Ihre Seelenschwester knurrte, lächelnd streichelte Inani über den Kopf der Raubkatze. Die Leopardin wollte zurück zu ihren Jungen.
„Danke, dass du für mich da warst“, flüsterte Inani in den Geist des Tieres.
„Gut, dass du Taube-Schwester hast.“ Die große Katze grollte leise, in jener Art, die von innigster Zuneigung sprach, rieb ihren Kopf an Inanis Wange, die sich tief zu ihr herabgebeugt hatte. Dann sprang sie voran und war binnen weniger Augenblicke außer Sicht. Inani lief rasch weiter, sie hatten schon den Rand der Nebelwelt erreicht. Ein Glück, dass ihr Weg nicht lang war, sie hatte wirklich kaum noch Kraft. Auch mit Hilfe der Raubtierkräfte würde sie nicht mehr lange aufrecht bleiben können. Da Cero die Schlange nicht zu fürchten schien und die Kyphra keine rechte Lust hatte, sich von ihrem warmen Leib zu trennen, behielt Inani sie allerdings trotz ihres Gewichtes bei sich, froh über die tröstliche Nähe.
Cero hob verwundert die Augenbrauen, als er sich inmitten seiner eigenen Kapelle wieder fand.
„Warum hast du uns hierher geführt?“, fragte er.
„Es lag nah genug und ich war mir sicher, dass jetzt kein Mensch hier sein würde. Außerdem hasse ich diesen Irrgarten, den Ihr Euer Zuhause nennt, werter Fürst“, erwiderte sie mit sanftem Spott.
Cero lachte, während er sich auf einem Gebetsteppich niederließ, von denen sich einige in der kleinen Kapelle befanden. „Der Palast wurde vor einigen Jahrhunderten erbaut und soll eine Tjuva nachempfinden.“
Inani zog die Stirn kraus, sie wusste, dieses Wort hatte sie irgendwann schon einmal gehört.
„Ein Gebetsamulett, viele Priester benutzen so etwas.“ Der Fürst nestelte an seiner Tunika und zog ein Schmuckstück hervor, das er darunter verborgen an einer Gliederkette trug. Es war oval geformt, erinnerte an ein Vogelei, allerdings aus Gold gefertigt, besetzt mit Diamantensplittern.
„Es symbolisiert das Leben, die Wiedergeburt und Tis feuriges Auge. Jeder Diamant steht für eines der Gebete, die ein Priester täglich sprechen muss. Es soll die Verbindung zu Gott stärken, wenn man eine Tjuva in der Hand hält.“
Inani nickte, sie erinnerte sich, ähnliche Schmuckstücke bei Priestern gesehen zu haben. Ihre Gedanken irrten zurück zu dem Dorf, in dem sie die ersten zwölf Jahre ihres Lebens verbracht hatte. Nuram ... ja, das war der Name des Dorfpriesters gewesen. Er hatte ihr von seiner Tjuva erzählt.
„Der Palast wurde in ähnlich Weise gebaut wie das Muster auf der Rückseite der Gebetsamulette, schau!“ Cero drehte das Schmuckstück um, es waren Linien eingraviert, die ineinander verschlungen waren. „Auch das steht für Leben, Ewigkeit und Wiedergeburt. Wenn man einmal weiß, wie das Muster zu verstehen ist, fällt es nicht weiter schwer, sich im Palast zu orientieren.“
Inani lächelte müde. „Es waren aber nicht Eure Vorfahren, die solch ein findiges Bauwerk erschaffen haben“, stellte sie ruhig fest.
„Was hat mich verraten?“
„Eure Aussprache. Roensha ist Eure Muttersprache, darauf halte ich jede Wette!“
„Nun, ich leugne es nicht, es ist kein Geheimnis. Der vormalige Fürst von Barrand starb kinderlos, zuvor hatte er mich, seinen Schwager, zum Nachfolger erklärt.“
„Warum wollt Ihr Roen Orm angreifen?“ Inani war zu erschöpft, um noch länger um das Feuer herumzuspringen.
„König Ilat ist schwach, er wird die Stadt in den Untergang führen. Wenn Roen Orm in falsche Hände fällt, stürzt ganz Enra in ein Zeitalter der Dunkelheit, das will ich verhindern. Rynwolf hat mir Nachricht geschickt, dass Ilat einen unsinnigen Krieg plant, aus purer Langeweile. Er fleht mich an, rasch zu handeln und Ilat anzugreifen, sobald der Roen Orm verlassen hat. Wenn er gefallen ist, nehme ich die Stadt friedlich ein.“
Inani nickte, während sie den Körper der Kyphra streichelte. Corin hatte den Kopf unter ihren Flügel gesteckt und schien zu schlafen, doch Inani wusste, dass ihre Freundin angeregt lauschte. Es war immer gut,
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