Soehne des Lichts
war Inani verschwunden, mit mindestens zweihundert wütenden Trollen auf den Fersen.
Mit angehaltenem Atem starrten Corin und Thamar in die Tiefe. Der größte Teil der Feinde war fort, aber es waren immer noch etwa hundert Chyrsk in der Höhle, die sich um einen riesigen Troll scharrten – wahrscheinlich war das die Königin. Die Aufmerksamkeit aller konzentrierte sich auf Inanis Fluchttunnel, während niemand mehr auf die Gefangene achtete.
Die beiden kletterten rasch hinunter und schlichen, jede Deckung nutzend, dorthin wo Avanya am Boden lag.
Thamars Blut kochte, als er sie erblickte: gefesselt, nackt, das Gesicht von Blut verkrustet. Zahlreiche Abschürfungen und dunkle Flecken überall auf ihrem so zerbrechlich wirkenden Körper bewiesen, dass die Chyrsk wenig behutsam mit ihr umgegangen waren. Am liebsten wäre er die letzten wenigen Schritte zu ihr gerannt, auf dem Weg jeden Troll erschlagend, und hätte sie einfach hier herausgetragen. Doch die große Chyrsk schritt plötzlich auf ihre Gefangene zu, zog sie grob in die Höhe und schüttelte sie durch.
„Gehören Menschenfrau zu dir?“, brüllte sie Avanya an.
Die Nalla stöhnte bloß, gekrümmt vor Schmerz.
„Widersetzen dich nicht! Ich geben dir mehr Trank, wenn du nicht antworten!“
Avanyas Kopf sank nieder, ihre langen Haare verbargen ihren Schmerz. Grollend vor Zorn ließ die Chyrsk sie fallen und zog ein langes Messer aus dem Gürtel.
„NEI...!“ Thamar wollte aufschreien, aus der Deckung springen, aber Corin reagierte schneller, drückte ihn gewaltsam zu Boden und hielt ihm den Mund zu. Es war ihr Glück, dass alle verbliebenen Chyrsk laut durcheinander sprachen und brüllten. Niemand bemerkte die beiden Menschen.
„Sei still!“, zischte Corin warnend. „Wenn du dich fangen und umbringen lässt, hilfst du ihr nicht!“
Die große Chyrsk packte Avanyas lange Flechten, wickelte sie sich dreimal um ihre Faust und schnitt sie ab. Mit angeekeltem Gesichtsausdruck warf sie die losen Haare fort, zerrte ihre Gefangene dann wieder an den Fesseln in die Höhe. Was von Avanyas bernsteinfarbenem Haar übrig war, konnte nun nicht mehr ihr Gesicht verdecken, es reichte kaum bis zu ihren Ohren.
„Du werden reden, das Gift wirken lange! Die Schmerzen werden fressen dich, kleine Nalla, deine Seele fressen, deinen Willen fressen. Am Ende du Tod erbetteln, vorher du verraten alles!“ Die Chyrsk schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht. Sofort begann Avanya aus Mund und Nase zu bluten. Ihre Lider flatterten, sie stöhnte leise, doch sonst reagierte sie nicht.
„Nola sein zerbrechlich“, murrte die Chyrsk angewidert.
„Bewachen sie! Grooo vaaaa!“, befahl sie und wandte sich ruckartig erneut dem Tunnel zu, in dem Inani verschwunden war.
„Noooonaaaaar!“ Ihr Ruf ließ die gesamte Höhle erbeben. Corin und Thamar standen die Haare zu Berge – was ging hier vor sich?
Die anderen Trolle begannen gleichmäßig zu grollen, sie knieten vor ihrer Königin, die gewaltigen Arme in die Höhe gestreckt, und erzeugten diesen tiefen, fürchterlichen Ton, der Urängste in Thamar weckte. Es klang, als würden die Tiefen des Untergrunds selbst stöhnen, als würde sich ein alles vernichtendes Erdbeben anbahnen. Die große Chyrsk hatte die Augen geschlossen, langsam wiegte sie sich hin und her. Dann stieß sie wieder den Ruf aus: „Noooooaaaaar!“ Nach einigen endlosen Minuten wurden Schritte laut, von unzähligen Füßen – die Chyrsk kehrten zurück.
Corin presste die Fäuste gegen die Lippen, und diesmal musste Thamar sie zurückhalten. Über ihren Köpfen trugen sie eine leblose Gestalt: Inani.
~*~
Die Chyrsk legten Inani zu Füßen ihrer Führerin, wenig sanft, doch nicht so, als würden sie eine Leiche abladen.
„Niemand entkommen meinen Rufen, Mensch“, grollte die Königin. Vor ihr befand sich ein Heer von braunhäutigen riesigen Trollen. Von Thamars Versteck aus gesehen stand sie fast isoliert, ihre Getreuen waren respektvoll einige Schritte zurückgewichen, um sie mit der bewusstlosen Frau allein zu lassen.
Thamar sah die Gelegenheit, und er zögerte keinen Moment: Mit einem Satz sprang er aus seinem Versteck, das Schwert bereits in der Hand. Er duckte sich unter dem Schlag eines Trolls, köpfte im Vorbeihuschen einen anderen. Mit einigen Hieben tötete er noch zwei überraschte Chyrsk und befand sich hinter der Königin, bevor diese Zeit gehabt hatte, die Bedrohung zu verstehen. Kraftvoll trat er ihr in die
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