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Söhne und siechende Seelen

Söhne und siechende Seelen

Titel: Söhne und siechende Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alper Canıgüz
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man selbst entscheiden.

acht
der herr der fliegen gegen Leviathan
    Den Sonntag verbrachte ich mit aktiver Entspannung, indem ich die Hinweise bezüglich des Mordes einer Bewertung unterzog und mich, von Händel begleitet, diversen Selbstmordfantasien hingab. Dementsprechend fühlte ich mich am Montag ausgesprochen fit und fidel. Mein Herz hatte auch den letzten Rest Angst vor Gazanfer abgeschüttelt, und so trat ich vom Nieselregen unberührt auf die Straße. Punkt eins auf meiner Tagesordnung war die Befragung des Krämers Yakup. Wie ich vermutet hatte, traf ich ihn vor seinem Geschäft bei seinem täglichen Freizeitritual an, nämlich beim Waschen seines grünen Toyota Corolla. »Frohes Schaffen, Yakup Abi!«
    »Komm rein, Junge«, begrüßte er mich, legte sogleich seinen Lappen aufs Auto und ging in den Laden. »Was kann ich für dich tun?«
    Seinen Krämerinstinkt nicht zu berücksichtigen war ein großer Fehler gewesen. Ihm zu sagen, dass ich nicht beabsichtigte, etwas einzukaufen, könnte seinen Widerstand gegen das Verhör mobilisieren. Zum allem Übel hatte ich keinen Kuruş Geld bei mir.
    »Yakup Abi, hast du Honig aus Erzurum?«, fragte ich aufs Geratewohl, nur um einen Wunsch zu äußern. Dabei hatte ich zuvor noch nie etwas von einem solchen Honig gehört. »Von dem mit den Waben?«
    Prompt zog der Schuft eine zylindrische Metallbüchse unter der Theke hervor! »Muss doch sehr bitten, Jungchen.«
    Ich räusperte mich. »Das ist doch nicht etwa Honig aus Erzincan?«
    Als Yakup Abi auf das kleine Etikett zeigte, war er mit sich und der Welt zufrieden.
Honigbiene Pummelchen. Von den weltberühmten Bienenstöcken Erzurums direkt auf Ihren Tisch
.
    Ich nahm die Büchse an mich. »Du musst es allerdings aufschreiben. Wir bezahlen am Monatsanfang.« Er erwiderte nichts, doch als er einen neuen Schuldner in sein dunkles Heft schrieb, war zu erkennen, dass ihm das völlig gegen den Strich ging. Sogar als er sich wieder daran machte, die Karosserie zu polieren, legte er unübersehbar nicht mehr denselben Eifer an den Tag wie zuvor.
    Ich ging zu ihm und stellte mich hinter ihm auf. »Yakup Abi, du wäschst zwar das Auto, aber in fünf Minuten regnet es bestimmt wieder.«
    »Dann waschen wir ihn halt noch einmal«, sagte er mit stoischer Ruhe. Da begriff ich, dass ihn eine solche Wahrscheinlichkeit nicht beunruhigte, sondern sogar beglückte. Er war der geborene Autowäscher. Das Leben hatte ihn allerdings zum Krämerdasein verdonnert, wie so viele ausgezeichnete Gemüsehändler zum Abgeordnetendasein. So verschwenderisch ging das System mit Talenten um.
    Das würde ich niemals zulassen. Ich war der beste Lügner der Welt, und darauf musste ich meine Karriere aufbauen. »Yakup Abi«, begann ich, ohne die leiseste Ahnung zu haben, was ich als Nächstes von mir geben würde. »Niemand kennt die Leute in diesem Viertel besser als du, und deshalb wollte ich dich in einer Angelegenheit nach deiner Meinung fragen.« Der Krämer erwies mir zwar nicht die Ehre einer Antwort, allerdings wischte er nun mit deutlich erotischeren Bewegungen über die Autoscheiben. Wenn ich schon die richtige Ader getroffen hatte, musste ich fortfahren, ohne ihm eine Verschnaufpause zu gönnen. »Mein Vater hat mir zu meinem Geburtstag einen tollen Lederball geschenkt. Mit dem haben wir letztens in dem Viertel oben Fußball gespielt, und da kommt der Hänfling, der Ochse, und tritt derart hart dagegen, dass der Ball bei der Villa in den Garten fliegt. Nach unseren Regeln hätte der Hänfling den Ball holen müssen, aber wir haben ihn ums Verrecken nicht dorthin gekriegt. Die ganze Zeit hat er behauptet, der Typ, der da eingezogen ist, sei ein Vampir oder so was. Da bekamen wir es alle mit der Angst zu tun, und keiner traute sich, in den Garten zu gehen. Und jetzt mache ich mir vor Angst in die Hose, dass mein Vater nach dem Ball fragen könnte. Ich dachte, du weißt am besten, was für ein Kerl das ist. Wenn ich jetzt hingehe und nach meinem Ball frage, wird er mich dann wirklich auffressen?«
    Während der Krämer seinen zerfetzten Lappen im Eimer anfeuchtete, konnte er sich das Lachen über unsere Blödheit nicht verkneifen,. »Was für ein Fanpir denn? Ruhan ist ein ganz normaler, harmloser Mann. Ich kenne ihn seit Jahren.«
    »Seit Jahren? Ist er nicht erst vor Kurzem hier in die Nachbarschaft gezogen?«
    »Er hat früher auch hier gewohnt, dann ging er weg. Besser gesagt, er musste weg …«, sagte unser klatschbesessener Krämer. Auf

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