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Söhne und siechende Seelen

Söhne und siechende Seelen

Titel: Söhne und siechende Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alper Canıgüz
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war so schön … Ihr blondes Haar lag auf ihren Schultern, und ihr Gesicht sah beinahe friedlich aus. Niemand hätte glauben können, dass sie tot war. Wer weiß – vielleicht war sie wirklich glücklich, weil sie dieser Welt entkommen war.«
    »War es das, woran du auf dem Friedhof denken musstest?«, fragte ich auf die Gefahr hin, dass mein Vater noch stinkiger werden würde.
    Rebi Abi schüttelte den Kopf. »Bevor ich ging, wollte ich zum Abschied meine Mutter auf die Wange küssen. Mein Bruder hielt mich davon ab mit den Worten, ich hätte kein Recht dazu. ›Weder du noch mein Vater haben das Recht, sie zu berühren!‹, schrie er. ›Ihr habt sie in den Selbstmord getrieben und sogar in ihrem Todeskampf allein gelassen!‹ Vollkommen wild geworden fiel ich über ihn her. Die Krankenpfleger gingen dazwischen. Sie gaben mir eine Beruhigungsspritze. Als ich Stunden später wieder zu mir kam, war die Beerdigung längst vorbei.«
    Während alle respektvoll abwarteten, dass Rebi Abi seine Tränen trocknete, schlürfte ich unbeobachtet am Rakı meines Vaters. Endlich führte der Amca Bey die Intervention durch, auf die alle gewartet hatten: »Kommt, lasst uns über was anderes reden.«
    »Mecit, Junge, die Sache mit der Heirat hat dich richtig melancholisch gemacht. Früher hattest du immer eine Geschichte aus der Militärzeit auf Lager«, sagte Tevfik-Schätzchen mit wohldosierter Fröhlichkeit.
    »In unserer Kompanie war ein Mann aus Ankara«, begann Mecit und zündete sich eine Zigarette an. »Ich erinnere mich nicht mehr an seinen Namen. Er war sehr still und höflich. Ein blonder Typ. Er blickte immer so traurig drein, wie ein Schaf. Einmal fragten wir ihn, was denn sein Problem sei. Er erzählte, in seinem Heimatort lebte er zusammen mit seinen Eltern, seiner Frau und seiner Tochter. Er würde die ganze Zeit an sie denken. Na und? War das etwa Mamas Schoß oder die Armee? Wir alle vermissen unsere Familien, aber rennen wir alle so verstört durch die Gegend? So versuchten wir ihn zu trösten. ›Ihr könnt euch das nicht vorstellen‹, meinte er. ›Bei mir ist es nicht einfach nur Sehnsucht, es ist Angst.‹ ›Wovor?‹, fragten wir. ›Vor dem Tod‹, antwortete er. Er dachte also, dass jede Minute jemand aus seiner Familie sterben würde, deshalb war er mit den Nerven am Ende.“
    »Tolles Thema hat der Blödmann da angeschnitten«, motzte der Amca Bey.
    »Nach einer Weile schnappte er vollkommen über. Er aß nicht, weinte ständig, klappte beim Appell einfach zusammen. Anfangs schlugen sie ihn, doch als das nichts brachte, schickten sie ihn zum Divisionspsychologen. Der verordnete ihm eine Luftveränderung, und er fuhr in seine Heimat. Ich erinnere mich sogar noch gut daran, dass wir darüber sprachen, dass der Schlaumeier die ganze Nummer nur zu dem Zweck abgezogen hatte.«
    »Eh? Ging’s ihm wenigstens besser, als er wieder zurückkam?«, fragte Tevfik-Schätzchen in der Hoffnung, dass die Geschichte ein glückliches Ende finden würde, bevor Rebi Abi einen Tobsuchtsanfall bekam.
    »Nein, er kam nämlich nicht wieder. Eines Nachts, als alle schliefen, drehte er den Gashahn auf. Die ganze Familie kam dabei ums Leben.«
    »Menschenskind, Mecit! Du und deine gottverdammte Psychologie!«
    »Was ist?«, gab Mecit aufgebracht zurück. »Ihr wolltet doch, dass ich was aus der Militärzeit erzähle. Bei dem Wort Leichenhalle ist mir eben diese Geschichte eingefallen, also habe ich sie erzählt.«
    »Super gemacht«, sagte Tevfik-Schätzchen und stand auf. »Gute Nacht zusammen. Ich mach mich vom Acker. Sagt Muhittin, er soll’s anschreiben. Ich zahle Anfang des Monats.«
    »Seht euch das an, der benimmt sich in der Kneipe, als sei’s ein Krämerladen«, redete der Holzkopf hinter ihm her.
    Mein Vater legte einen großen Geldschein auf den Tisch. »Wir machen uns auch langsam auf den Weg.«
    Bevor Rebi Abi ging, wandte er sich noch einmal an die Leute am Tisch und sagte: »Nochmals Entschuldigung, dass ich euch die Stimmung kaputt gemacht habe.«
    »Ist doch wurscht, Junge«, erwiderte der Amca Bey. »Wenn wir uns amüsieren wollen, gehen wir ins Theater. Hierher kommen wir doch, um zu leiden. Leid tröstet gegen Leid.«
    Wir verließen die Kneipe und sprangen in ein Taxi. Rebi Abi setzte sich auf den Beifahrersitz und schlief sofort ein. Mitten auf der Bosporusbrücke sagte ich: »Papa, ich will mich ja nicht in deine Angelegenheiten einmischen, aber wir sollten zuerst nach Harem fahren.«
    »Was gibt’s

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