Söhne und Töchter des Feuers, Band Eins: Verbrannte Hoffnung (German Edition)
Schreie der Drachen lauter. Von den noch stehenden Abschnitten des Schutzwalls feuern die Feuerkarden auf die flüchtenden Xathirr, die durch das struppige und mit kleinen Büschen bewachsene Land nur mühsam vorwärtskommen.
„Schneller. Wir müssen hier weg!“, feuert Tanox sich selbst und Keylin an. Nur wenige Sekunden später wird die linke Seite seines Brustkorbes von einem der schweren Speere getroffen, die die maschinellen Wurfgeschossen vom Schutzwall der Stadt abfeuern. Schockiert muss Keylin mit ansehen, wie ihr Gefährte, den sie erst vor so kurzer Zeit kennengelernt hat, kraftlos zu Boden geht.
Sie stürmt auf ihn zu, geht kniend zu Boden und nimmt seine Hand. „Ich hole Hilfe!“, flüstert sie.
„Nein“, sagt er mit schwindenden Kräften, „Gehe nach Lithiqon. Halte dich westwärts. Von dort wird dich der Segeltransporter nach Aqilon bringen.“
Sie hat weder den Mut, noch die Kraft mit Tanox zu diskutieren und drückt seine Hand ganz fest. „Danke für alles.“
Völlig unerwartet stellen die Feuerkarden ihren Beschuss auf die Zivilisten ein. Alle blicken nervös hinauf in den Himmel.
„Bei den Göttern!“ Keylin ist fassungslos, als auch sie in den Himmel blickt. Dieser hat sich in ein tiefrotes Feuermeer verwandelt.
„Schnell!“, fordert sie Tanox auf, „Verschwinde! Jetzt!“
Keylin schüttelt panisch den Kopf. Ihr Blick klebt gebannt an der gewaltigen Feuerwand. „Was bedeutet das?“
„Die Feuerkönige. Sie sind hier!“, antwortet er, während sich erschöpft seine Augen schließen. Der Teppich aus Feuer und Flammen formt sich zu einem gewaltigen Trichter. Nach mehreren Minuten zieht sich das Feuer zurück und bündelt sich in einem gewaltigen, flammenden Strahl im Zentrum der Stadt. Auch die Drachen, die bis dahin ihre Angriffe auf die Stadt fortgesetzt haben, fliegen, von ihrem Instinkt getrieben, auf die gewaltige, brennende Säule zu.
Keylin legt ihre Hände auf die linke Seite von Tanox‘ Brust. Er ist blutverschmiert, doch das spielt jetzt keine Rolle. Tanox öffnet seine Augen, als er ihre Berührung spürt. Er nickt ihr vorsichtig zu und gönnt ihr ein letztes Lächeln. Sie holt tief Luft und schaut noch einmal auf den mit tiefgrauen, fast schwarzen Rauchwolken verhangenen Himmel über ihrer Heimatstadt. Keylin blickt in die Ferne und läuft los, in der Hoffnung, die schützenden Hügel zu erreichen, bevor die Feuerkarden den Beschuss fortsetzen. Tanox schafft es, seine Augen noch einige Minuten geöffnet zu halten. Doch es gelingt ihm nicht, ausreichend Lebenskraft aufzubringen, um zu erleben, wie sich der Himmel über Vathexa wieder lichtet. Sein Leben endet, ohne das er seinen letzten Auftrag ausführen konnte. Doch Keylin hat die Stadt lebend verlassen. Ein kleiner Trost. Er stirbt hier, in seiner Heimat, auch wenn sie brennend ihrem Ende entgegen geht.
Das stille, leicht vibrierende Summen der Maschinen hat nicht nur auf Keylin Andyrs eine beruhigende Wirkung. Einige der reisenden Passagiere des Segeltransporters dösen auf ihren Sitzplätzen selig vor sich hin. Seit etwa acht Stunden ist Keylin bereits mit diesem Gefährt unterwegs, nachdem sie etwas mehr als eine Woche vom Westtor ihrer Heimatstadt über die Grenze nach Lithiqon benötigte. In der valesianischen Stadt, in der sie als Gesandte ihres Volkes bereits erwartet wurde, hat sie einige Tage verbracht, konnte sich neu einkleiden, ausschlafen und etwas essen. Doch noch immer spürt sie die Strapazen ihrer langen, quälenden Flucht durch die vegetationsarmen Hügel und den vor allem in der Nacht sehr kalten Landschaften in ihren Knochen.
„Wir sind bald da. Die Passagiere sollen sich auf die Landung vorbereiten.“
Die Worte scheinen weit, weit weg zu sein, doch Keylin kann sie hören. Langsam kehrt sie aus ihrem erholsamen Halbschlaf zurück. Sie öffnet die Augen. Bevor sie einen Blick aus dem Fenster zu ihrer linken wagt, muss sie erst einmal ihre Beine strecken. Das ist bei der Enge in diesem Gefährt allerdings nicht so einfach. Während sie erleichtert ihre Arme nach oben reißt und ihrem Körper wieder etwas Kraft zukommen lässt und kräftig gähnen muss, blickt sie aus dem Fenster. Unter dem durch wundersame Technik durch die Luft treibenden Gefährt liegt Aqilon. Keylin ist entsetzt, wie sehr man der Hauptstadt des größten Menschenreiches, der Stadt aus Glas, das Leid der letzten Kriegsjahre ansieht. Die breiten Alleen sind menschenleer. Nur einige Soldaten sind in ihren silbernen
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