Söldner des Geldes (German Edition)
Anne, Andrea, Angela. Die drei Schwestern waren ähnlich und doch unterschiedlich, und es schien, als hätten sie eine enge Beziehung gehabt. Wie die Al-Bader-Zwillinge.
Winter konnte sich sehr gut vorstellen, wie die drei Mädchen, die drei Frauen stundenlang miteinander schwatzten. Im Garten bei Fraubrunnen oder am Telefon. Er wusste fast nichts über die Schwestern.
Angela war in den USA am Studieren.
Und Andrea?
Vielleicht hatte Anne ihr etwas über den unbekannten Verehrer erzählt. Hatte sie ihn erhört? Die Melancholie wich einem bitteren Geschmack. War Anne vielleicht doch nicht ganz ehrlich gewesen? Hatte sie ein Doppel gespielt?
Das Einfachste war, Andrea zu fragen.
Er wählte die Nummer der Telefonauskunft.
Andrea wohnte in Kölliken. Winter glaubte nicht an Telepathie. Es musste Zufall sein, dass er in diesem Moment an Andrea gedacht hatte. Ein Lächeln huschte über Winters Gesicht. Kölliken lag ziemlich genau zwischen Zürich und Bern. Fünf Minuten später setzte er den Blinker und verliess die Autobahn bei der Ausfahrt «Aarau West».
Seine konfuse Stimmung verflüchtigte sich.
Er konzentrierte sich auf den nächsten Schritt.
Annes Schwester wohnte mit ihrer Familie mitten im ländlichen Dorf in einem grossen Bauernhaus, welches renoviert worden war und jetzt mehrere Wohnungen umfasste.
Winter parkierte und stieg aus.
Ein Rentnerehepaar bei der Gartenarbeit. Ein Hund. Dann sah er Andrea, die gerade daran war, einen Schlauch an einen Rasensprenger anzuschliessen.
Heute war offenbar Sprinklertag.
Die Wohnung von Andrea war in der ehemaligen Scheune und hatte eine grosse, moderne Glasfront, die Garten und Wohnküche verband.
Andrea schaute auf und studierte Winter mit einem neugierig-fragenden Blick. Irgendwie kam er ihr bekannt vor. Er schloss die Wagentür, nickte, lächelte und ging über den Rasen auf Andrea zu.
«Guten Abend, entschuldigen Sie bitte die Störung. Tom Winter.» Er lächelte: «Der Chef von Anne.» Sie hatten sich am Begräbnis die Hand geschüttelt. Aber da hatte sie Tränen in den Augen gehabt und er einen formellen Anzug getragen. Er sah in Andreas Augen, dass sie ihn erkannte.
Sie nickte, wischte sich die Hände an den Jeans ab und kam auf ihn zu: «Hallo, ich bin Andrea.»
Sie gaben sich die Hand und das Du war etabliert.
«Tom.» Dann murmelte Winter: «Mein Beileid.»
Andrea schüttelte den Kopf und deutete auf den Sprinkler: «Irgendwie passt der Schlauch nicht.»
«Lass mich einmal sehen.»
Während sie beide in die Hocke gingen, musterte Winter Andrea. Sie sah unkompliziert aus. Neben Jeans trug sie ein ärmelloses T-Shirt und einen Rossschwanz. Die nackten Füsse ohne Nagellack steckten in robusten Trekkingsandalen.
Winter glaubte sich zu erinnern, dass Andrea in einem Heim für schwierige Kinder arbeitete, das in einen Bauernhof mit vielen Tieren integriert war. Oder waren es Behinderte? Auf jeden Fall konnte er sich Andrea gut vorstellen, wie sie pubertierenden Schnöseln resolut den Weg wies oder sich vorurteilslos um Behinderte kümmerte. Winter drehte das Verbindungsstück zwischen Schlauch und Sprinkler.
Es klickte und Andrea fragte: «Verflixt, wie hast du das gemacht?»
Winter zuckte mit den Achseln, und sie standen auf. Andrea ging zum Haus, sagte: «Achtung!» und drehte das Wasser auf. Winter entging knapp der dritten Dusche des Tages. Nachdem er den sicheren Steinplatz zwischen Rasen und Küche erreicht hatte, fragte Andrea: «Etwas zu trinken? Ich habe eisgekühlten Pfefferminztee.»
«Das tönt gut. Sehr gut sogar. Gern.»
Sie deutete auf eine uralte Holzbank an der Hauswand, verschwand, und Winter setzte sich. Zwei Minuten später hatte er ein englisches Pint mit Pfefferminztee, Eiswürfeln und einem Zitronenschnitz in der Hand. Es schmeckte hervorragend.
«Danke. Das ist das ideale Getränk für einen Sommertag wie heute. Schmeckt gut.»
«Danke.»
«Selbst gemacht?»
«Geheimrezept.» Ein flüchtiges Lachen flog über Andreas Gesicht, verschwand aber sofort wieder. Sie hatte sich am anderen Ende der Holzbank gesetzt und lehnte sich gegen die hohe Seitenlehne, in die über die Jahrzehnte unzählige Initialen und Herzen geritzt worden waren.
Für einige Zeit schauten sie dem Sprinkler und den geschwungenen Linien des Wassers zu. Die Wassertröpfchen bildeten rhythmisch übereinanderfallende Wellen, die in der Sonne farbig glitzerten. Winter nahm einen weiteren Schluck.
«Es ist mir unangenehm, wenn ich dich einfach so
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