Söldner des Geldes (German Edition)
Dann erklärte sie, dass ihr Vater ein englischer Diplomat mit indischen Wurzeln war. Sie habe während ihrer Kindheit in verschiedenen Metropolen gelebt. London wurde ihre zweite Heimatstadt. Dort habe sie auch Finanzwirtschaft studiert, an der London School of Economics.
Kaddour war stolz auf seine rechte Hand. Er machte auch kein Geheimnis daraus, dass er von Tobler persönlich kannte. Offenbar war er über ihn und Winter gut im Bilde. Er hatte bei einem seiner Besuche in der Schweiz von ihm gelernt, dass man dort «Rösti» isst. Er wünschte sich, Ägypten hätte so viele Seen und wäre so grün wie die Schweiz.
Nach dem Small Talk stiegen sie in den schwarzen Mercedes mit den hinten abgedunkelten Fenstern. Kaddour fuhr selbst, Fatima bestand darauf, dass Winter vorne sass. Sie überquerten den Nil und fuhren zügig Richtung Fayum. Nicht alle Verkehrsteilnehmer hatten Licht, doch Kaddours forsche Fahrweise und die schwere Limousine signalisierten: Aus dem Weg! Winter fragte sich, ob Kaddour einfach Freude am Fahren hatte oder ob er sicher sein wollte, dass ihm niemand folgte.
Sie verliessen das Gewimmel der Stadt, und nach einer halben Stunde auf der breiten Malyk Faisal Road bog Kaddour rechts ab. Das Restaurant entpuppte sich als einstöckiges Lehmhaus, dessen rötliche Fassade mit lodernden Fackeln beleuchtet wurde und das unmittelbar am Rande der Wüste lag. Auf dem sandigen Parkplatz stand ein Dutzend Nobelautos, unter denen der Mercedes nicht weiter auffiel. Der Eingang war mit einem Baldachin überdeckt, und am Boden lag ein geknüpfter Teppich.
Ein älterer Kellner erkannte Kaddour, begrüsste sie und führte sie durch das Haus hindurch in einen grosszügigen Palmengarten, in welchem einige weiss gedeckte, mit Kerzen beleuchtete Tische standen. Der Gastgeber geleitete sie zu einem runden Tisch in einer Ecke.
Gedämpfte Gesprächsfetzen vermischten sich mit leiser Hintergrundmusik. Die Nacht war mild. Süssliche Düfte hingen in der Luft.
Der Garten wurde von einer kniehohen Mauer begrenzt. Dahinter begann die Wüste. Im Mondlicht konnte Winter Spuren im Sand erkennen. Eine ausgemergelte Katze, in deren Augen sich die Kerzen spiegelten, schlich mit gehörigem Sicherheitsabstand vorbei. Im Hintergrund waren klein die Dreiecke der beleuchteten Pyramiden zu sehen. Light und Sound für die Touristen.
Das Essen kam und schmeckte ausgezeichnet. Fatima erklärte ihm die einzelnen Speisen und die Art und Weise, wie diese zubereitet wurden. Kaddour erzählte ägyptische Anekdoten, die, wenn sie nicht wahr, zumindest gut erfunden waren.
Winter liess sich treiben und wusste nicht, ob dies die Folge des Biers oder des sich füllenden Magens war.
Kaddour und Fatima harmonierten gut. Sie waren es gewohnt, zusammen Gäste auszuführen, und Winter fragte sich, ob ihre Beziehung über das Berufliche hinausging.
Das Dessert kam, und Fatima erklärte, dass dieses Esch es-Seraya genannt werde: «Brot des Palastes». Die mit Honig getränkten Fladen waren nahrhaft und süss.
Kaddour steckte einen kleinen Bissen in den Mund: «In den alten Zeiten konnten sich nur die Pharaonen Honig leisten. Heute kann jeder Honig kaufen. Das Gleiche gilt für Papier. Früher war Papyrus den Reichen und Heiligen vorbehalten, heute kann jeder Papier kaufen. Und derselbe Schritt steht uns beim Telefonieren bevor. In einigen Jahren werden alle Ägypter in der Lage sein, überall mobil zu telefonieren. Orafin macht das möglich. Dazu braucht das Land am Nil die richtige Infrastruktur: Strassen, Beton, Antennen, Glasfaserkabel und Strom.»
Immer wieder schimmerte bei seinen Gastgebern der Stolz auf die lange und grossartige Geschichte Ägyptens durch. Von den Pyramiden bis zu Orafin war es nur ein kleiner Schritt. Ob Mubarak oder die Muslimbrüder an der Spitze waren, spielte keine Rolle. Ob dem Energieministerium Younes oder Balbaa vorstand, war für Orafin einerlei. Ägypten brauchte Strom. Stromausfälle kann sich keine Regierung leisten.
Winter lehnte sich zurück und bemerkte nur: «Und deshalb wollte Orafin mit Al-Bader zusammenarbeiten?»
«Ja, wir müssen über die nationalen Grenzen hinausdenken. Amerika besteht aus den Vereinigten Staaten von Amerika, die Europäische Union hat die Nationalstaaten eingebunden. Dasselbe wollen wir hier im Nahen Osten auch. Die fortschrittlichen Staaten werden sich früher oder später zu einer wirtschaftlichen Union zusammenschliessen. Die Golfstaaten haben das Ölgeld, und wir bringen
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