Söldner des Geldes (German Edition)
sich selbst zu glauben. Winter fand es nicht angebracht, eine Diskussion über Risiken und Wahrscheinlichkeiten zu führen.
Die Feuerwehr war ja vor Ort.
Und Fukushima weit weg.
Aus den Augen aus dem Sinn.
Doch Fatima war beeindruckt, und Winter konnte förmlich sehen, wie vor ihrem inneren Auge eine solche Nuklearfabrik zur Energieversorgung von Kairo Gestalt annahm.
In fünf, zehn Jahren würde der ägyptische Präsident an der Eröffnungsfeier eine rote Samtschleife durchschneiden. Er würde sagen, dass die Stromausfälle in Kairo von nun an der Vergangenheit angehörten. Die Nuklearfabrik würde die bestehenden Gaskombikraftwerke hervorragend ergänzen. Der ägyptischen Bevölkerung und der Industrie würden dank dem neu eröffneten Kernkraftwerk in Zukunft günstiger und sicherer Strom zur Verfügung stehen. Der Präsident würde sagen, dass für das ägyptische Volk ein neues Zeitalter angebrochen sei.
Der Finanzminister würde auch da sein, aber nichts sagen und froh sein, dass er im Staatshaushalt die Subventionen zur Verbilligung der Energie endlich kürzen konnte.
Politiker!
Und Fatima würde stolz neben dem Energieminister stehen und höflich Beifall spenden.
Winter konzentrierte sich wieder auf die Gegenwart. Der aufgestellte Student strebte zum Eingangstor zurück. Die Führung ihrem Ende zu.
Sie hatte ihren Zweck erreicht. Professor Farmer hatte Fatima beeindruckt. Die physische Dominanz, die Komplexität der Anlage und die in der Luft liegende elektrische Spannung der summenden Hochspannungsleitungen zeigten ihre Wirkung. Er hatte die Bühne für den nächsten Verhandlungsschritt nach seinen Vorstellungen gestaltet.
Sie passierten die hydraulische Schleuse, wurden vom Führer mit den besten Wünschen entlassen und betraten das Verwaltungsgebäude. Als Farmer sie in einen Sitzungsraum mit einem lackierten Tisch führte, um den schwarze Lederstühle standen, übernahm Fatima das Zepter: «Herr Winter, vielen Dank für die Begleitung. Lassen Sie uns bitte allein. Warum gehen Sie nicht auf einen Kaffee in die Kantine? Ich rufe Sie an, wenn wir fertig sind.» Sie schenkte ihm im Türrahmen ein bezauberndes Lächeln und schloss die Tür.
Winter hatte keine Gelegenheit, den fetten Mann im Anzug, der vom anderen Ende des Tisches auf Fatima zusteuerte, genauer unter die Lupe zu nehmen. Der administrative Direktor des Kernkraftwerkes oder ein Helfer vor Ort der «Pyramid Investment Partners»?
Langsam ging er den Gang entlang und las die Türschilder neben den geschlossenen Bürotüren. Am Ende des Ganges genehmigte er sich einen Automatenkaffee und stieg die Treppe in den zweiten Stock hoch.
Ein entgegenkommender Angestellter störte sich nicht an seiner Anwesenheit. Sobald eine Bürokratie eine gewisse Grösse erreichte, zählte das Individuum nicht mehr und konnte sich anonym darin bewegen. Zumindest solange er wie ein Hundehalsband eine Plastikkarte um den Hals trug.
Im zweiten Stock ging Winter langsam wieder zurück. Am Ende des Ganges kam er zu einem Schild, das besagte, dass hier der Sicherheitschef des Kernkraftwerkes arbeitete. Die Tür war offen, und Winter blieb stehen. In der Mitte des Raumes stand ein Metallschreibtisch, an dem ein Mann sass, der ein kurzärmliges Hemd trug und aufschaute, als er merkte, dass jemand in seiner Tür stand.
Winter grinste und klopfte verlegen an die offene Tür: «Hallo, mein Name ist Winter, Tom Winter. Ich bin für die Sicherheit einer Schweizer Bank verantwortlich und hatte dank Professor Farmer eben eine Führung durch Ihre beeindruckende Anlage.» Er schwenkte den Arm in Richtung der Kühltürme. Komplimente hatten noch nie geschadet. Der Mann hinter dem Metallschreibtisch stand auf und winkte ihn herein.
«Guten Tag, schön, Sie kennenzulernen. Kommen Sie doch herein.»
Der Sicherheitschef war klein, aber kräftig. Winter durchquerte das Büro, und sie schüttelten sich die Hände. Rechts stand eine Wand mit Ordnern. Die linke Wand war voll mit Diplomen, Zertifikaten, Fotos mit wichtigen Leuten und Trophäen von Schiesswettbewerben. Hinter dem Schreibtisch öffnete sich eine Glasfront mit Sicht auf die Kühltürme. Der Sicherheitschef hatte das Licht in seinem Rücken.
«Ich bin Jeff. Was führt Sie aus der schönen Schweiz nach Vermont?»
«Tom. Ich begleite eine Kundin, die ich in Sicherheitsfragen berate.»
«Ah, der Chef hat vorhin gesagt, dass der Professor mit Gästen vorbeikommen wird.»
Der fette Mann von vorhin im Sitzungszimmer
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