Söldner des Geldes (German Edition)
haben. Aber alles nur vom Hörensagen.»
Winter wurde sich plötzlich bewusst, dass er nur sehr wenig über Al-Baders Hintergrund wusste. Diskretion hiess auch, keine Fragen zu stellen. In der Vergangenheit der Kunden zu wühlen war tabu. Konnte es sein, dass die Bank als Erfüllungsgehilfe missbraucht wurde? Sein Telefon klingelte. Fatima. Abflug in fünf Minuten.
2. August 13:10
Eine halbe Stunde später landeten sie auf der Insel Nantucket. Der Professor hatte sie zum Lunch in sein zweites Zuhause am Meer eingeladen. Winter hatte auf dem Rückflug Vororte von Boston gesehen und die charakteristischen Umrisse von Cape Cod erkannt.
Der Helikopter spuckte sie hinter Dünen aus und hob sofort wieder ab. Wahrscheinlich war die Landung nicht ganz legal, die Behörden drückten wohl ein Auge zu. Der Professor entschuldigte sich, dass sie die letzten dreihundert Meter zu Fuss gehen mussten.
Ein Holzsteg mit Geländer führte durch die Dünen ans Meer. Hohe Gräser krallten sich im Sand fest und zitterten im Wind. Wackelige Zäune versuchten, die Verwehungen des Sandes in Schach zu halten. Winter erkannte vor der Küste kreuzende Segel- und Motorboote.
Der Professor blieb abrupt stehen und deutete in den Sand: «Hier, Eier eines Regenpfeifers.»
Winter konnte nichts sehen. Erst als er sich vorbeugte, erkannte er im Sand drei Eier. Kein Nest schützte sie. Form, Farbe und Grösse waren gleich wie die umliegenden Steine.
«Ist die Tarnung nicht perfekt?», fragte der Professor, und in seiner Stimme schwang Bewunderung mit. «Sie liegen direkt vor unseren Augen, und wir können sie nicht erkennen. Von der Natur können wir so viel lernen.»
Winter und Fatima nickten zustimmend. Winter dachte: Wie ein Schläfer. Dann schoss ihm ein anderer Gedanke durch den Kopf: Für Tiger wären die Eier eine leichte Beute und ein gefundenes Fressen.
Das viktorianische Haus tauchte hinter der Düne auf. Es war aus Holz, frisch gestrichen, grau die Wände und weiss die Tür- und Fensterrahmen, mit einem Giebeldach aus flachen schwarzen Eternitziegeln. Ein Steinkamin zog sich seitlich am Haus hoch und rauchte. An einem Mast wehte stolz eine grosse amerikanische Flagge.
Zwischen dem Haus und dem Meer erstreckte sich ein feiner Sandstrand, der gelblich leuchtete, einzig durchsetzt mit bräunlichen Grasbüscheln. Der Küste entlang waren weitere Häuser im selben Stil zu erkennen. Alle aus Holz, in unterschiedlichen, dezenten Farben und fast immer mit einer amerikanischen Flagge. Winter schaute zurück und sah, dass eine betonierte Strasse aus einem Pinienwald kam, bei den Dünen teilweise mit Sand verweht war und hinter dem Haus in eine Doppelgarage mündete. Winter sog die frische Meeresluft auf und fragte sich, was das Anwesen kostete.
Sie betraten ein grosses Holzdeck mit ausladenden Gartenmöbeln, die mit tiefen hellbraunen Kissen bestückt waren. Über drei breite Treppenstufen erreichte man den Sandstrand. Das Deck hatte kein Geländer, war aber begrenzt durch ein gutes Dutzend dunkelbrauner, verrosteter Eisenständer mit halb abgebrannten Fackeln.
«Nehmen Sie bitte Platz. Was kann ich Ihnen zum Trinken anbieten?»
Fatima bat um einen Orangensaft, Winter um ein Bier. Der Professor erklärte: «Ich bewirte meine Gäste viel lieber hier in meinem bescheidenen zweiten Haus als in einem überfüllten Restaurant. Für diese speziellen Gelegenheiten lasse ich jeweils einen Koch einfliegen. Bitte entschuldigen Sie mich für einen Moment. Ich schaue, dass wir etwas Kleines zu essen bekommen.»
Fatima und Winter liessen sich in den Sesseln nieder.
«Haben nicht die Clintons hier auf dieser Insel manchmal ihre Ferien verbracht?»
«Keine Ahnung, ich lese die amerikanische Klatschpresse nicht.»
«Ist das Gespräch mit dem Direktor und Farmer gut gelaufen?»
«Ich denke schon. Kaddour, Allah sei ihm gnädig, hat das Terrain gut vorbereitet. Wir haben die Absichtserklärung unterschrieben und können jetzt die nächste Phase in Angriff nehmen. Aber wir sind immer noch in einem frühen Stadium. Die Planung braucht Zeit. Vom Groben ins Feine. Alle wollen sich absichern. Ich werde Spezialisten der Orafin schicken, verstärkt durch Mitarbeiter des Ministeriums. Und der Direktor des Kernkraftwerkes will uns über eine private Firma seine Beratungsleistungen verkaufen.» Fatima zeichnete lachend mit ihren Händen den fetten Bauch des Direktors nach.
Für eine Weile schauten sie schweigend auf das Meer hinaus. Das Wasser und die
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