Söldnerehre (German Edition)
Protokoll, endlose Pflichten und viel zu lernen. Das kam mir damals vor wie ein Gefängnis.«
»Und heute?«
Er lächelte unterdrückt. »Heute fände ich das gar nicht so schlecht.«
»Die Moyri waren mal ein friedliches Volk, weißt du?«
»Ja, ich weiß.«
»Ich wünschte, es könnte wieder so sein. Heute leben sie nur noch für den Krieg.«
»Leider sind sie auch noch so verdammt gut darin.«
»Es besteht keine große Finesse darin, sich in die Schwerter der Gegner zu stürzen, bis diese überrannt sind«, schalt sie ihn sanft.
»Auch wieder richtig.«
»Der große Vorteil der Moyri ist, dass sie so zahlreich sind. Sie walzen alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellt. Unaufhörlich. Unaufhaltsam.« Sie seufzte. »Ich wünschte, wir könnten mit ihnen Frieden schließen.«
»Solange jemand wie Pollok sie führt, wird dieser Umstand sicherlich nicht eintreten.«
»Wie wahr. Nur schade, dass wir nicht an ihn herankommen.«
Jonas überlegte. Ja, das war wirklich schade. Wenn es nur auf irgendeine Art ein Herankommen an den Kriegsherrn der Moyri gäbe. In diesem Fall wäre noch nicht alles verloren. Doch ihm fiel keine Möglichkeit ein, die die Waagschale zu ihren Gunsten würde kippen können.
Er war so in Gedanken, dass er gar nicht bemerkte, wie Miriam sich umdrehte und entfernte. Kurz bevor sie in der Nacht verschwand, drehte sie sich noch einmal um.
»Jonas?«
»Ja?«
»Irgendwie bin ich froh, dass du Söldner geworden bist. Sonst hätten wir uns erst hier kennengelernt und nicht bereits auf unserer gemeinsamen Reise.«
Sie war bereits verschwunden, bevor sein ratterndes Hirn ihre letzte Bemerkung als das erkannt hatte, was sie war: ein Beweis aufrichtiger Zuneigung.
21
Der elfte Tag begann auf die gleiche Weise wie die zehn zuvor – mit einem Unterschied: Es gab keinen Beschuss durch die feindlichen Katapulte. Entweder war den Moyri nach beinahe zwei Wochen fast ununterbrochenen Beschusses die Munition ausgegangen oder sie stellten das Feuer absichtlich ein, um ihre eigenen Truppen nicht zu gefährden. Da sich inzwischen die äußere Mauer zwischen den Katapult-Besatzungen und den angreifenden Moyri-Horden befand, wurde es extrem schwierig für den Gegner zu feuern, ohne eigene Truppen zu treffen.
Dies hielt die Moyri jedoch nicht davon ab, den zweiten Wall zu belagern, als würde es kein Morgen mehr geben. Sie brandeten Welle für Welle gegen die Verteidigungsanlagen, nur um von den Schwertern der Verteidiger niedergemacht zu werden. Der Wehrgang war rot von Blut und nicht wenige Kämpfende verloren das Gleichgewicht und rutschten auf der rötlichen Schmiere aus. Und wer einmal inmitten des Getümmels fiel, den ereilte sein Schicksal schnell.
Kilian säuberte sein Schwert am groben Gewand eines toten Moyri und beobachtete griesgrämig, wie die feindlichen Truppen sich in Sicherheit zurückzogen. Die Sonne sank gerade hinter den Horizont und tauchte das Schlachtfeld in albtraumhafte Dämmerung.
Logan kam über den Wehrgang zu ihm. Der Kopfgeldjäger zog das rechte Bein nach. Ein blutdurchtränkter Verband knapp über dem Knie verrutschte und entblößte eine schwere Wunde, die höchstwahrscheinlich von einer Axt verursacht worden war.
»Du sahst schon besser aus«, kommentierte Kilian erschöpft.
»Ich hab mich auch schon besser gefühlt«, erwiderte Logan und unterließ die übliche Frotzelei. Er musterte besorgt den bösen Schnitt quer über Kilians Stirn. »Du solltest das versorgen lassen.«
»Sobald ich die Gelegenheit dazu habe.« Beide wussten, dass dieses Versprechen nur vorgeschoben war und Kilian die Wunde in nächster Zukunft nicht versorgen lassen würde. Die Vorräte gingen langsam zur Neige, nicht bloß, was Nahrungsmittel anbelangte, sondern auch Kräuter und Medizin. Nur noch schwerste Verletzungen wurden sofort behandelt. Einfachere Dinge wie Schnitte, Prellungen und manchmal sogar gebrochene Knochen mussten warten. Die Lazarette der Stadt waren hoffnungslos überfüllt.
Einer der Soldaten ging herum und verteilte Wasserrationen. Kilian nahm einen tiefen Schluck aus der angebotenen Kelle und gab sie anschießend wieder zurück. Sehnsüchtig blickte er nach Osten, wo der Fluss lag. Die Moyri hatten beide Seitenarme des Flusses gestaut und verhinderten so, dass Wasser in die Stadt gelangen konnte. Seitdem der äußere Wall gefallen war, besaßen die Belagerten auch nicht mehr die Mittel, die Staudämme zu zerstören oder auf andere Weise an Wasser
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