Söldnerehre (German Edition)
Gefährtin zielstrebig zu einem der Türme, in dessen Schatten er seine Schlafstatt eingerichtet hatte. Als Lyra erkannte, wohin sie unterwegs waren, sah sie ihn von der Seite her schelmisch an.
»Was hast du denn vor?«
»Wie kommst du darauf, dass ich etwas vorhabe?«, erwiderte er betont unschuldig.
»Ist nur so eine Ahnung.«
»Ach?!«
»Ja, ich kenne dich inzwischen ziemlich gut.«
»So? Meinst du?«
Sie kicherte, als er sie spielerisch auf die zusammengerollten Decken warf und sich zu ihr gesellte. Und für einige Stunden war der Krieg weit weg.
* * *
Kilian und Lyra waren nicht die Einzigen, die in dieser Nacht zusammenfanden. Als der Söldner und die Leibwächterin der Prinzessin mit ihrem Liebesspiel fertig waren und eng umschlungen beieinanderlagen, vernahmen sie plötzlich eindeutige Geräusche, und das aus einer Richtung, aus der dies sehr ungewöhnlich war.
Nämlich aus dem Bündel Decken, das Logan zu seinem eigenen Lager erkoren hatte und das sich unweit von Kilians Schlafstatt befand. Eine der beteiligten Personen war Logan und die andere unverkennbar Jesy.
Als das Liebespaar die Stimmen erkannte, schmunzelten sie sich gegenseitig wortlos an und Kilian kommentierte die Situation in vier einfachen Worten: »Das wurde auch Zeit.«
* * *
»Störe ich?«
Jonas schreckte von seinem Beobachtungsposten hoch, als Miriam sich schüchtern näherte.
»Nein. Natürlich nicht.«
Jonas nahm unbewusst Haltung an, als die jugendliche Prinzessin sich neben ihn stellte. Sie bedeutete ihm, sich wieder zu entspannen. Erst jetzt bemerkte er, dass er dastand wie ein Soldat auf einer Parade, und lehnte sich erneut an die Zinnen. Es war beinahe Mitternacht und die Ostmauer lag bis auf einige patrouillierende Wachposten ruhig da. Wer konnte, gönnte sich etwas Schlaf, solange die Moyri nicht wieder angriffen.
»Könnt Ihr nicht schlafen?«, fragte Jonas.
»Warum so förmlich? Du hast früher anders mit mir geredet.«
»Früher wart Ihr keine Prinzessin. Also … ich meine … Ihr wart schon eine Prinzessin. Schließlich wurdet Ihr so geboren … Äh … ich meine …«
Sie kicherte ob seiner Verlegenheit und offenkundigen Hilflosigkeit angesichts einer für ihn ungewohnten Situation.
»Ich bin immer noch derselbe Mensch wie früher. Also bitte rede auch so mit mir.«
Die Anspannung in Jonas’ Zügen ließ nach. »In Ordnung … Miriam.«
»So ist es besser«, kommentierte sie.
Jonas musterte sie nachdenklich. Sie wirkte martialisch, wie sie so in einer inzwischen verbeulten Rüstung an den Zinnen lehnte, ein Schwert an ihrer Seite. Es fiel ihm denkbar schwer, sie mit dem unschuldigen und unsicheren jungen Mädchen in Verbindung zu bringen, das er auf ihrer Reise kennengelernt hatte. Sie wirkte selbstsicherer, aber auch ernster.
Er hatte sie mehrmals auf den Wällen der Stadt erlebt, wie sie gegen die Moyri kämpfte, und ihr Mut sprach für sich selbst. Jonas war nicht von ihrer Seite gewichen. Zumindest, soweit dies im Kampfgetümmel möglich war. Miriam führte durch ihr Beispiel und genau das gefiel ihm. Sie inspirierte die Männer, die für sie kämpften, zu Höchstleistungen.
Im Verlauf der Belagerung standen sie ein halbes Dutzend Mal kurz davor, überrannt zu werden. Doch Miriam warf sich immer mitten ins Getümmel und die Männer folgten ihr, ohne zu murren. Sie kämpften inzwischen nicht mehr nur für Erys. Sie kämpften und starben für ihre zukünftige Königin.
Jonas erinnerte sich an viele Gespräche mit seinem Vater aus früheren Zeiten, vor seinem Weggang. Sein Vater hatte verzweifelt versucht, ihm Dinge wie Loyalität und Ehre zu vermitteln. Doch Jonas – der junge Jonas – hatte davon nichts wissen wollen. Erst jetzt, Jahre später, begann er zu verstehen. Erst jetzt begriff er, was sein Vater ihm eigentlich hatte sagen wollen: dass es Menschen wie Miriam gab, die es wert waren, dass man für sie kämpfte und sein Leben für sie einsetzte.
Es tut mir leid, Vater.
»In einigen Stunden greifen die Moyri wieder an«, unterbrach sie seine Gedanken.
»Ja.«
»Und das Sterben geht weiter.«
Da Jonas nicht so recht wusste, was er darauf antworten sollte, hielt er es für besser zu schweigen.
»Ich hasse den Krieg«, sprach Miriam weiter.
»Kann ich gut verstehen.«
»Jonas?«
»Ja?«
»Warum bist du Söldner geworden?«
»Die Frage kann ich dir gar nicht so einfach beantworten. Ich glaube, das Abenteuer hat mich gereizt. Am Hof meines Vaters gab es nur das
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