Söldnerehre (German Edition)
»Was soll das jetzt wieder?«
»Ich habe eher den Eindruck, es macht dir etwas aus, mal ein anderes Gefühl als Berechnung und Profitgier an den Tag zu legen.«
»Du hast Geilheit vergessen.«
Sie verdrehte genervt die Augen. »Oh, entschuldige. Berechnung, Profitgier und Geilheit.«
»Und? Was ist falsch daran? Jeder Mensch denkt im Grunde nur an sich selbst, an die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse. Warum auch nicht? Jeder ist im Endeffekt nur auf den eigenen Vorteil bedacht.«
Lyra sah ihn mit einem beinahe traurigen Ausdruck in den Augen an und schüttelte dabei verständnislos den Kopf. »Das ist tatsächlich dein Ernst, nicht wahr?!«
»Du klingst, als wäre das was Schlechtes.«
»Ist es das nicht?«
»Nein! Sieh dir doch an, in was für einer Welt wir leben«, erklärte Kilian, der sich langsam warm redete. »Was hat den Varis ihr Mitgefühl denn eingebracht. Hätten sie ein stärkeres Militär gehabt, hätten sie den Moyri widerstehen können. Und jetzt sind sie ein Volk auf der Flucht. Mitgefühl und Menschlichkeit füllen keinen Magen und sie halten einen auch nicht an der Macht.«
»Die Varis hatten ein starkes Militär. Und sie kämpften darum, dass Dinge wie Ehre, Menschlichkeit und Aufopferung nicht gänzlich aus der Welt verschwinden. Sie kämpfen immer noch dafür.«
Kilian packte sie plötzlich an den Schultern und zog sie näher zu sich heran. »Aber begreifst du denn nicht, dass das, was du sagst, nur meine Argumente stützt? Die Varis kämpften für all diese Dinge und unterlagen. Sie haben verloren. Geht das denn nicht in deinen Dickschädel? Der Krieg ist vorbei. Die Moyri kehren nur noch die Reste auf und das war’s dann.«
Sie versuchte halbherzig, sich zu befreien, was ihr angesichts von Kilians Körperbau nicht gelang. »Du bist ein Scheusal.«
»Und du bist eine weltfremde Idealistin. Eine Idealistin, die nicht sehen will, wie es in der Welt wirklich zugeht. Weißt du was? Coyle Pollok wird alles in Sichtweite erobern. Und warum? Weil er einen Hang zur Gewalt hat. Ehre, Menschlichkeit, Mitgefühl – all diese Dinge kümmern ihn nicht. Und deshalb gewinnt er. Er wird so lange gewinnen, bis er auf einen Gegner trifft, der noch gnadenloser ist als er selbst. Und so wird es immer weitergehen.«
Er stieß ein kurzes Lachen aus, das seltsam deplatziert wirkte. »In diesem Krieg wird es nur noch eine einzige Schlacht geben. Und zwar, wenn die Moyri die Mauern von Erys erstürmen. Wenn sie alle Männer getötet und die Frauen und Kinder in die Sklaverei verschleppt haben, dann ist dieser Krieg vorbei. Und du und diese Bande von Narren sind dabei, genau in dieses Schlangennest zu marschieren.«
»Und du und deine Bande von Narren kommen mit uns.«
»Aber nur, bis wir bezahlt werden. Sobald wir unser Geld haben, verschwinden wir – solange es noch geht.«
»Du bist ein armseliges Stück Scheiße, Kilian, ein Abziehbild von einem Mann. Ich würde lieber sterben, als in der Welt zu leben, in der du dein jämmerliches Dasein fristest.«
»Ich bin vielleicht jämmerlich, aber ich bin immerhin noch am Leben.«
»Das nennst du Leben«, höhnte sie. »Ziehst von Schlacht zu Schlacht, lebst von der Hand in den Mund und weißt nicht, ob du das Ende des Tages noch erlebst.«
»Dieses Leben, das du so abstoßend findest, hat mich Fertigkeiten gelehrt, die euch am Leben und aus der Reichweite der Moyri halten. Als wir dich und die anderen in der Taverne gerettet haben, kamen wir dir gerade recht. Ich hätte auch zusehen können, wie dieser Moyri-Soldat Miriam auf dem Tisch vergewaltigt, anstatt einzugreifen.«
Auf diese Äußerung hin verstummte sie und starrte ihn lediglich an, unfähig, auf diese Anschuldigung etwas zu erwidern.
»Du willst wirklich wissen, warum ich so sauer bin?«, fuhr er fort. »Weil ich es zugelassen habe, dass dein Mitgefühl mich für einen Sekundenbruchteil infiziert hat.« Das Wort Mitgefühl sprach er aus, als würde es sich dabei um eine Krankheit handeln. Als sie seinen Tonfall hörte, verengte sie die Augen zu kleinen Schlitzen, aus denen sie ihn wütend anfunkelte. »Ich bin weich geworden, als ich diese Leute beerdigte.« Mit leiser werdender Stimme fügte er hinzu: »Das hätte nicht passieren dürfen.«
»Das hätte nicht passieren dürfen«, wiederholte er und diesmal war seine Stimme kaum noch zu hören.
»Es war aber das Richtige.«
»Mag schon sein. Aber das Richtige zu tun, kann manchmal furchtbar schmerzhaft sein. Oder gefährlich.« Mit
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