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Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Titel: Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Ausdruck. Er behauptete nicht nur, Gott sei in der Natur anwesend. Er hielt außerdem auch den Weltraum für unendlich. Deswegen wurde er streng bestraft.«
    »Und wie?«
    »Er wurde im Jahre 1600 auf dem Blumenmarkt in Rom verbrannt ...«
    »Das war übel – und dumm. Und das bezeichnest du als Humanismus?«
    »Nein, das nicht. Bruno war der Humanist, nicht seine Henker. Aber während der Renaissance florierte auch etwas, was wir ›Antihumanismus‹ nennen können. Damit meine ich eine autoritäre Kirchen- und Staatsmacht. Während der Renaissance gab es auch Hexenprozesse und Scheiterhaufen, Magie und Aberglauben, blutige Religionskriege – und nicht zuletzt die brutale Eroberung Amerikas. Keine Epoche ist nur gut oder nur böse. Gut und Böse ziehen sich wie zwei rote Fäden durch die gesamte Geschichte der Menschheit. Oft verflechten sie sich miteinander. Das gilt nicht zuletzt für unser nächstes Stichwort. Ich werde erzählen, wie die Renaissance auch eine neue wissenschaftliche Methode entwickelte.«
    »Wurden jetzt auch die ersten Fabriken gebaut?«
    »Noch nicht sofort. Aber eine Voraussetzung für die gesamte technische Entwicklung, die nach der Renaissance einsetzte, war eine neue wissenschaftliche Methode. Darunter verstehe ich eine neue Einstellung zum Wesen der Wissenschaft. Die technischen Früchte der neuen Methode stellten sich erst nach und nach ein.«
    »Worum ging es bei dieser neuen Methode?«
    »Es ging vor allem darum, die Natur mit den eigenen Sinnen zu untersuchen. Bereits seit Anfang des 14. Jahrhunderts warnten mehr und mehr Stimmen vor dem blinden Glauben an alte Autoritäten. Als solche Autoritäten galten sowohl kirchliche Lehrsätze als auch die aristotelische Naturphilosophie. Auch vor der Überzeugung, ein Problem ließe sich durch bloßes Nachdenken lösen, wurde gewarnt. Ein solch übertriebenes Vertrauen in die Bedeutung der Vernunft hatte während des gesamten Mittelalters vorgeherrscht. Jetzt hieß es, dass die Untersuchung der Natur grundsätzlich auf Beobachtung, Erfahrung und Experiment aufbauen müsse. Diese Methode bezeichnen wir als empirisch .«
    »Und das bedeutet?«
    »Das bedeutet einfach nur, dass wir unsere Kenntnisse der Dinge aus eigenen Erfahrungen beziehen – und nicht aus verstaubten Buchrollen oder Hirngespinsten. Auch in der Antike wurde empirische Wissenschaft betrieben. So hat ja auch Aristoteles viele wichtige Beobachtungen in der Natur angestellt. Aber systematische Experimente waren etwas vollständig Neues.«
    »Sie hatten wohl keine technischen Apparate wie heute?«
    »Sie hatten natürlich weder Rechenmaschinen noch elektronische Waagen. Aber sie hatten die Mathematik und sie hatten Waagen. Jetzt wurde besonders betont, wie wichtig es war, wissenschaftliche Beobachtungen in einer genauen mathematischen Sprache auszudrücken. Man solle messen, was sich messen lässt, und das, was sich nicht messen lässt, messbar machen, sagte Galileo Galilei , einer der allerwichtigsten Wissenschaftler des 17. Jahrhunderts. Er sagte auch, das Buch der Natur sei in der Sprache der Mathematik geschrieben.«
    »Und durch die vielen Experimente und Messungen stand der Weg zu neuen Erfindungen offen?«
    »Die erste Phase war eine neue wissenschaftliche Methode. Sie ermöglichte die technische Revolution und der technische Durchbruch ermöglichte alle Erfindungen, die seither gemacht worden sind. Du kannst gerne sagen, die Menschen hätten angefangen, sich von den Bedingungen der Natur loszureißen. Der Mensch war nicht länger nur ein Teil der Natur. Die Natur war etwas, das man benutzen und ausbeuten konnte. ›Wissen ist Macht‹, sagte der englische Philosoph Francis Bacon . Damit betonte er den praktischen Nutzen des Wissens – und das war etwas Neues. Die Menschen griffen nun in die Natur ein und beherrschten sie.«
    »Aber das war doch nicht nur positiv?«
    »Nein, und damit sind wir wieder bei dem guten und dem bösen Faden, die immer wieder miteinander verflochten werden, bei allem, was wir Menschen tun. Der technische Durchbruch, der in der Renaissance einsetzte, führte zu Spinnmaschinen und zu Arbeitslosigkeit, zu Medikamenten und neuen Krankheiten, zur Effektivierung der Landwirtschaft und der Ausplünderung der Natur, zu neuen praktischen Hilfsmitteln wie Waschmaschinen und Kühlschränken, aber auch zur Umweltverschmutzung und zu Müllbergen. Da wir heute sehen, wie schrecklich bedroht unsere Umwelt ist, betrachten viele den technischen Durchbruch selber

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