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Sog des Grauens

Titel: Sog des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bagley Desmond
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während sie mechanisch hinter Mrs. Warmington dahintrottete.
    Sie sahen keinen Menschen und schienen sich durch ein leeres Land zu bewegen. Der Weg ging etwas auf und ab, brachte sie aber ständig höher hinauf, und als Julie sich einmal umblickte, sah sie Hütten in der Ferne. Aber es stieg kein Rauch aus diesen Siedlungen auf, und auch sonst war kein Leben zu erkennen. Wo der Weg die Zuckerrohrfelder verließ, trafen sie auf weitere Hütten, und sobald er sie sah, hielt Rawsthorne die Hand hoch. »Wir müssen vorsichtig sein«, flüsterte er. »Lieber sichergehen. Warten Sie hier!«
    Mrs. Warmington setzte sich auf der Stelle hin und hielt sich die Füße. »Diese Schuhe bringen mich um«, sagte sie.
    »Still!« sagte Julie und spähte durch das Zuckerrohr nach den Hütten. »Es könnten Soldaten hiersein – Deserteure.«
    Mrs. Warmington sagte nichts mehr, und Julie dachte erstaunt: sie lernt es doch allmählich. Dann kam Rawsthorne zurück. »Es ist in Ordnung«, sagte er. »Es ist keine Menschenseele da.« Sie traten aus dem Zuckerrohr hinaus und gingen an den Hütten vorbei. Mrs. Warmington starrte auf die schiefen Wände aus gestampfter Erde und die Strohdächer und schnaufte verächtlich. »Schweineställe, mehr sind das nicht«, verkündete sie. »Sie sind für Schweine noch zu schlecht.«
    Rawsthorne sagte: »Ob da wohl irgendwo Wasser ist? Ich könnte gut etwas trinken.«
    »Wir wollen nachsehen«, sagte Julie und betrat eine der Hütten. Sie war spärlich möbliert und sehr primitiv, aber auch sehr sauber. Sie ging in einen winzig kleinen Raum, der offensichtlich eine Küche war, und fand ihn wie Mutter Hubbards Küchenschrank – leergefegt. In einer anderen Hütte war es dasselbe, und als sie auf den offenen Platz zwischen den Hütten hinaustrat, sah sie, daß Rawsthorne auch kein Glück gehabt hatte.
    »Diese Leute sind geflüchtet«, sagte er. »Sie haben entweder alle ihre Habseligkeiten mitgenommen oder sie vergraben.« Er hielt eine Flasche hoch. »Ich habe Rum gefunden, aber ich würde ihn nicht als Durststiller empfehlen. Vielleicht können wir ihn aber doch noch brauchen.«
    »Glauben Sie, daß sie vor dem Krieg geflüchtet sind?« fragte Julie, »oder vor dem Hurrikan – wie der alte Mann bei St. Michel?«
    Rawsthorne rieb sich die Wange. »Das ist schwer zu sagen. Ich würde zunächst sagen, vor dem Krieg – es ist aber egal.«
    »Diese Leute müssen irgendwo Wasser geholt haben«, sagte Julie. »Vielleicht von dort unten?« Sie zeigte auf einen Pfad, der am Rande des Zuckerrohrfeldes bergab führte. »Sollen wir nachsehen?«
    Rawsthorne zögerte. »Ich glaube nicht, daß wir uns hier zu lange aufhalten sollten – es ist zu gefährlich. Ich glaube, wir sollten weitergehen.«
    Von dem Augenblick, als sie in die Waldregion kamen, wurde das Vorankommen schwieriger. Der Boden war arm und steinig, und die gepflegten Bäume klammerten sich mit einem Gewirr von bloßliegenden Wurzeln am Berghang fest. Sie stolperten und fielen immer wieder. Der Berg war hier steiler, und das bißchen Erde, das hier gewesen sein mochte, war längst ins Tal gespült, dorthin, wo jetzt die üppigen Plantagen waren. Unter ihren Füßen waren Fels und Staub und spärliche Büschel eines zähen Grases, das sich hartnäckig hielt, wo ihm die verkrüppelten Bäume die Sonne nicht nahmen.
    Sie kamen auf den Kamm und sahen vor sich einen weiteren, noch höheren und steileren Bergrücken. Julie sah in das kleine Tal hinunter. »Ob dort unten wohl ein Bach ist?«
    Sie fanden einen Wasserlauf in dem Tal, aber er war ausgetrocknet und enthielt keinen Tropfen Feuchtigkeit. Also gingen sie weiter. Mrs. Warmington war jetzt schon sehr erschöpft; sie hatte längst ihre Widerborstigkeit verloren, und ihre Lust am Kommandieren war einer Neigung zu Klagen gewichen. Julie stieß sie gnadenlos vor sich her. Immer hielt sie sich vor Augen, was diese Frau getan hatte, und Rawsthorne beachtete ihre Klagen nicht – er hatte genug damit zu tun, seinen eigenen schmerzenden Körper auf diesen schrecklichen, staubigen Berg hinaufzuschleppen.
    Als sie oben ankamen, ging das Gelände in ein Hochplateau über, und es war nicht mehr so schwierig. Der Fels war hier mit einer kargen Erdschicht bedeckt, und die Vegetation war etwas üppiger. Sie trafen auf eine weitere Gruppe von Hütten auf einer Lichtung – auch diese waren verlassen, und wieder fanden sie kein Wasser. Rawsthorne sah den kleinen Fleck mit Mais und Zuckerrohr an und

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