Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sog des Grauens

Titel: Sog des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bagley Desmond
Vom Netzwerk:
oben«, sagte Rawsthorne. »Wenn wir uns dort flach hinlegen, wird man uns von unten nicht sehen. Kommen Sie, Mrs. Warmington!«
    Es war eine schwierige Kletterei. Julie und Rawsthorne schoben die schwerfällige Mrs. Warmington hinauf, und dann stieg Rawsthorne hinauf und zog Julie nach. Sie rollte sich mit abgeschürften Knien auf den schmalen Sims und machte sich platt. Obwohl sie ihren Kopf unten hatte, sah sie immer noch die Ecke des Schuppens und erwartete jeden Augenblick, den Posten mit dem Wasser zurückkommen zu sehen.
    Sie flüsterte: »Wenn wir wirklich den oberen Rand des Steinbruchs erreichen, was dann?«
    »Alle Truppen dort oben sind weg«, sagte Rawsthorne. »Sie verließen die Plantage und fuhren in Richtung auf St. Pierre davon. Ich glaube, General Rocambeau wird bald angreifen. Ich dachte, wir könnten hinter seinen Truppen über die Berge ins Negrito-Tal marschieren. Dort dürften wir sicher sein.« Er machte eine Pause. »Aber vielleicht haben wir nicht mehr genug Zeit; haben Sie einmal zum Himmel geschaut?«
    Julie verdrehte ihren Hals und sah hinauf. Die Sonne stach ihr in die Augen. »Ich kann nicht viel sehen – nur einige hohe Wolken. Federwolken.«
    »Die Sonne hat einen Hof«, sagte Rawsthorne. »Ich glaube, der Hurrikan wird bald hier sein.«
    Julie sah eine Bewegung neben dem Schuppen. »Still, er ist zurück!«
    Der Soldat sah den Schuppen verwundert an und ließ Flasche und Becher fallen. Das Wasser floß über den staubigen Boden. Er nahm sein Gewehr von der Schulter, und Julie hörte ganz deutlich das Knacken, als er den Sicherungsflügel umlegte. Er sah sich im Steinbruch um, und sie erstarrte – wenn sie ihn sehen konnte, dann mußte auch er sie sehen, wenn er genau genug in die richtige Richtung sah.
    Der Soldat ging langsam um den Schuppen herum; er lief bedachtsam, mit schußbereitem Gewehr, und sie hörte seine Stiefel auf dem trockenen Boden knirschen. Er kam heran, in der Absicht, den Steinbruch abzusuchen. Er beschrieb einen weiten Bogen und sah in alle Ecken und Winkel, die durch die Sprengungen entstanden waren. Als er näher kam, verschwand er aus ihrem Gesichtsfeld, und Julie hielt den Atem an und hoffte, Mrs. Warmington würde keinen Lärm machen, denn jetzt war der Mann sehr nahe – sie konnte ihn sogar atmen hören, als er unter dem Sims stand.
    Und er stand lange dort. Man hörte keine Bewegung seiner Füße, und Julie stellte sich vor, wie er wohl zu dem Sims hinaufsah und sich überlegte, ob es sich lohnen würde, hinaufzuklettern und nachzusehen. Es gab ein Klacken und ein Geräusch, wie wenn Metall auf Stein rutscht, und sie dachte: er hat sein Gewehr weggelegt; er braucht beide Hände zum Klettern. Er kommt herauf!
    Sie flog zusammen von einer gewaltigen Explosion, dann folgte noch eine – und noch eine. Sie hörte schwere Fußtritte, und nach einigen Sekunden sah sie den Mann durch den Steinbruch laufen und mit den Händen über den Augen den Weg entlangsehen. Die Explosionen folgten einander in kurzen Abständen. Es war ein Lärm, mit dem Julie nun schon vertraut war – Artilleriefeuer. Rocambeau hatte angegriffen, und Favel legte Sperrfeuer.
    Der Soldat zögerte und sah sich noch einmal in dem Steinbruch um. Dann hängte er sein Gewehr auf die Schulter und verschwand in schnellem Trab in Richtung auf den Weg. »Ich glaube, er ist weg«, sagte sie nach einer ganzen Weile.
    Rawsthorne richtete sich auf und sagte: »Dann müssen wir auch gehen. Wir müssen sehen, daß wir auf höheres Gelände kommen.«
    ***
    Favels Streitkräfte im Osten widerstanden dem ersten Ansturm. Sie zerschlugen die erste Welle der Regierungstruppen, die versuchten, das offene Gelände vor den äußersten Vororten zu überwinden, mit einem Feuerhagel aus Geschützen und Mörsern. Rocambeau hatte keine Artillerie und war gegen diese Feuerkraft machtlos, aber er hatte die Männer – siebentausend gegen Favels zweitausend –, und er setzte sie rücksichtslos ein.
    Er verlor fünfhundert Mann bei diesem ersten Angriff, aber als er abgeschlagen war, hielt er eine Linie, die weniger als zweihundert Meter von den ersten Häusern entfernt war, und seine Soldaten verschanzten sich in den Granattrichtern, mit denen der Boden besät war, und er ließ Verstärkung von hinten nachkommen. Sie krochen von Trichter zu Trichter, bis seine Stellung unangreifbar war. Nicht daß Favel einen Gegenangriff versuchen wollte – oder konnte. Mehr als die Hälfte seiner Leute bedienten die

Weitere Kostenlose Bücher