Sohn der Dunkelheit
nicht unbekannt.
Aber er hatte sie ganz bestimmt nicht vermisst.
Vielmehr schmunzelte er in sich hinein, als eine Reihe von Vampirinnen irritiert auf ihr vornehmes Schuhwerk blickten, wie sie die Louboutins hoben und schüttelten … als spürten sie den kalten Hauch der Schatten.
Havers kam an und wirkte etwas zerfahren. Zweifellos machte es den Heiler nervös, seine Schwester wiederzusehen, und dazu hatte er guten Grund. Soweit Blay informiert war, hatte Marissa ihm beim letzten großen Ratstreffen gründlich die Leviten gelesen.
Schade, dass Blay das verpasst hatte.
Kurz nach ihrem Bruder traf Marissa ein. Butch ging ihr entgegen und begrüßte sie mit einem innigen Kuss, bevor er sie an seinem schützenden Arm zu einem Platz in der Nähe seines Standorts führte. Er rückte ihr den Stuhl zurecht und blieb neben ihr stehen, groß, stark und bedrohlich … umso mehr, als er Havers Blick begegnete und mit gebleckten Fängen lächelte.
Blay erfasste ein Anflug von Neid auf dieses Paar. Natürlich nicht wegen des Zerwürfnisses mit der Familie, aber, ach … öffentlich mit dem Partner auftreten zu können, seine Zuneigung zeigen zu dürfen, als Paar respektiert zu werden. Für heterosexuelle Paare war es das Normalste der Welt, weil sie es nicht anders kannten. Die Glymera hieß ihre Beziehungen gut, selbst wenn die Paare sich nicht liebten, einander betrogen oder auf andere Weise etwas vorheuchelten.
Aber zwei männliche Vampire?
Ausgeschlossen.
Nur ein Grund mehr, die Glymera zu verachten, sagte er sich. Obwohl er sich eigentlich nicht um Diskriminierung sorgen musste. Seine große Liebe würde niemals öffentlich neben ihm stehen, aber nicht, weil es Qhuinn scheißegal war, was andere über ihn dachten. Erstens zeigte er seine Gefühle nie in der Öffentlichkeit, und zweitens war man allein wegen Sex noch lange kein Paar.
Sonst wäre Qhuinn mit halb Caldwell verlobt, verflucht noch mal.
Aber was sollte das alles?
Schließlich war er längst über diese Spinnerei hinweg.
Ehrlich.
Total …
» Klappe « , ermahnte er sich, als das letzte Ratsmitglied eintraf.
Rehv verlor keine Zeit. Mit jeder Sekunde, die Wrath vor der Versammlung stand, war er angreifbar und lief auch noch Gefahr, seine Blindheit zu verraten.
Der König der Symphathen wandte sich den Ratsmitgliedern zu und taxierte sie mit seinen violetten Augen, ein routiniertes Lächeln auf den Lippen. » Ich rufe den Rat zur Ordnung. Wir schreiben heute den … «
Während der Vorrede ließ Blay seine Augen über die Hinterköpfe der Ratsmitglieder wandern und überprüfte die Haltung von Armen und Händen oder ob irgendwer Anzeichen von Nervosität zeigte. Natürlich waren alle in Samt und Seide erschienen, die Frauen hatten sich mit Juwelen behängt, die Männer mit goldenen Taschenuhren. Doch die letzte offizielle Zusammenkunft lag eben auch schon eine Weile zurück, und das bedeutete, dass sie einander schmerzlich lange nicht gegenseitig hatten übertreffen können.
» … unseren Anführer Wrath, Sohn des Wrath. «
Nachdem die Ratsmitglieder höflich applaudiert und sich etwas aufrechter hingesetzt hatten, trat Wrath einen Schritt nach vorn.
Mann, ob nun blind oder nicht, er machte zweifelsohne den Eindruck einer Naturgewalt: Obwohl der König keinen hermelinbesetzten Umhang oder dergleichen trug, war er unverkennbar der Machtinhaber. Durch seine riesenhafte Gestalt, die lange dunkle Mähne und die schwarze Panoramasonnenbrille wirkte er eher wie eine Bedrohung als wie ein Monarch.
Und genau das war der Zweck der Übung.
Herrschaft basierte zum großen Teil auf der äußeren Wahrnehmung, was insbesondere für die Glymera galt – und niemand konnte bezweifeln, dass Wrath Macht und Autorität verkörperte.
Diese tiefe, herrische Stimme tat ihr Übriges.
» Mir ist bewusst, dass ich euch lange nicht gesehen habe. Die Plünderungen vor nun bald zwei Jahren haben viele eurer Familien hart getroffen, und ich teile euren Schmerz. Auch ich habe meine Familie bei einem Überfall der Lesser verloren, daher weiß ich genau, was ihr durchmacht und wie schwer es ist, neue Ordnung in euer Leben zu bringen. «
Ein Vampir in der vorderen Reihe rutschte auf seinem Stuhl umher …
Aber er setzte sich nur anders hin und griff nicht nach einer Waffe.
Blay entspannte sich, so wie ein paar andere auch. Verdammt, er konnte es kaum erwarten, dass dieses Treffen vorbei war und sie Wrath wieder sicher zu Hause hatten.
» Viele von euch kannten meinen
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