Sohn Der Nacht
eine Menge Blut geschluckt haben, von dem min destens ein Teil durch den Verdauungskanal gegangen sein muß.«
»Könnte es sein, daß die Proben vertauscht wurden?« fragte Katie.
Das Gesicht der Laborantin verzog sich zu einem beleidig ten Stirnrunzeln. Katie erinnerte sich, daß es, seit Sharmane vor sechs Monaten erste Laborantin geworden war, nicht zu einer einzigen Verwechslung von Proben gekommen war, die längste Zeit ohne einen Fehler, seit Katie hier in Georgetown angefangen hatte.
»In Ordnung«, sagte Katie. »Vielen Dank.«
Statt wieder zu gehen, sagte Sharmane: »Haben Sie sich das Blut dieser Patientin kürzlich noch mal angesehen?«
»Nein, in den letzten Tagen nicht mehr.«
»Könnten Sie dann vielleicht eine Minute mit mir herunter kommen und einen Blick darauf werfen?«
»Stimmt etwas nicht?«
»Ich bin nicht sicher. Ich glaube, es ist besser, wenn Sie selbst einen Blick darauf werfen, ohne daß ich irgend etwas dazu sage.«
Neugierig und ein wenig unsicher bedeutete Katie ihrem Praktikanten, mitzukommen. Im Labor führte Sharmane sie zu einem der Lichtmikroskope. Katie beugte sich vor und arbeitete an den Kontrollen, bis Jennys rote Blutkörperchen deutlich zu sehen waren. Sie konnte nichts Ungewöhnliches an ihnen entdecken. Es waren frische Zellen, gesund und prall, etwa normale Größe, mit leicht verschwommenen Zen tren. Und dann sah sie die Membran.
Jennys Blut sah aus wie das des Mörders!
Ein leichtes Frösteln durchlief Katie, kroch ihr den Rücken hinauf und breitete sich über ihre Arme aus. Die Membran war sehr fein, genau wie die an den Blutzellen des Killers unter Dr. Byners Mikroskop in jener ersten Nacht. Wie konnte dies sein? Sie wollte nicht, daß es so war.
Sie winkte Art zum Mikroskop. Er beugte sich darüber und richtete sich dann ein wenig zu schnell auf. Als er sie ansah, war sein Gesicht ausdruckslos.
»Sehen Sie, was ich meine?« fragte Sharmane.
»Eine leichte Verdickung in einigen der Membranen der Zellen«, sagte Katie.
»Richtig.«
Katie erinnerte sich wieder, daß Merrick gesagt hatte, das Wut des Mörders müsse ein Geheimnis bleiben. Aber das war nicht das Blut eines Mörders. Das war das Blut eines unschul digen kleinen Mädchens. Und doch ...
»Machen Sie sich darüber mal keine Gedanken«, sagte Katie zu Sharmane. »Das ist ein seltener Nebeneffekt der Che motherapie. Er scheint immer dann aufzutreten, wenn eine rasche Besserung der Leukämie vorliegt. Es steht zwar in kei nem der Lehrbücher, die ich kenne, aber ich habe das schon früher gesehen, ein- oder zweimal. Es ist harmlos.« Aus den Augenwinkeln sah sie, daß Art sie ganz seltsam anblickte; sie ignorierte ihn.
»Nun, das ist dann also in Ordnung«, sagte Sharmane. »Wenn Sie glücklich sind, bin ich es auch.« Sie klang erleich tert.
»Es war richtig, daß Sie mich darauf hingewiesen haben«, sagte Katie. »Ich möchte lieber etwas sehen, das nicht so wich tig ist, als irgend etwas übersehen, das wirklich wichtig gewe sen wäre.«
Sharmane blickte zufrieden drein und verabschiedete sich. Katie holte den Objektträger aus dem Mikroskop. »Holen Sie den Rest der Probe«, sagte sie zu Art, »und dann gehen wir zusammen zum Elektronenmikroskop.«
Als er mit dem Zehn-Kubikzentimeter-Röhrchen voll Blut, das Jenny heute morgen abgenommen worden war, herein kam, hatte Katie bereits den Objektträger in das Elektronen mikroskop eingeführt. Sie beugte den Kopf in den grünlichen Schimmer, der von dem Bildschirm aufstieg. Unter der immensen Vergrößerung des Elektronenmikroskops war die dunkle Mauer rund um die Zellen einfach nicht zu übersehen. Katie wollte das Herz sinken; sie hatte gehofft, unter dem Elektronenmikroskop würden sich irgendwelche Unterschiede zwischen Jennys Blut und dem des Killers zeigen.
Statt dessen bestätigte sich nur die Ähnlichkeit. Die Mem brane auf Jennys Zellen mochte vielleicht ein wenig dünner sein, aber im übrigen sah sie genau wie die des Mörders aus. Katie trat zurück, um Art Platz zu machen.
Er blickte hinunter und richtete sich dann auf. »Was hat das zu beuteten?«
»Ich weiß es nicht, Art. In der vergangenen Woche haben wir schon früher bisher unbekannte Strukturen in den roten Blutkörperchen bei zwei sehr unterschiedlichen Leuten gefunden. Könnte es sich dabei um irgendeine merkwürdige Art von Infektion handeln? Ich habe Tests mit dem Blut des Killers angestellt, während ich Jenny behandelt habe. Sie ist besonders prädestiniert für
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