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Sohn Der Nacht

Titel: Sohn Der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Spruill
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Sinne klar genug sein, um ihn wahrzunehmen. Dieser Gedanke ließ ihn erschaudern.
    Eines der Wesen atmete jetzt, zittrig, aber vernehmbar. Die
    Angst ließ Merrick mitten in der Bewegung zu Eis erstarren. Eine Sekunde lang schloß er die Augen, dann blickte er hin unter. Der knochige, verdorrte Sauger sah aus wie der >Mann aus dem Eis<, der vor wenigen Jahren in den italienischen Alpen gefunden worden war. Merrick erinnerte sich noch an den Schock, den er erlitten hatte, als er das Titelblatt auf NEWSWEEK gesehen hatte, die wettergebräunte, bronzefar bene Haut, die auffallend blauen Augen, die noch nach fünf tausend Jahren intakt gewesen waren. Er hatte den Artikel voller Schrecken gelesen, der erst geschwunden war, als ihm klar wurde, daß die Wissenschaftler keine Ahnung hatten, was sie da zerschnitten und untersuchten. Sie kannten das unglaubliche Alter des Körpers, aber mangels einer anderen Erklärung führten sie den unglaublich guten Zustand auf die konservierende Wirkung des Gletschers zurück, unter dem der Leichnam so lange gelegen habe. Sie hatten nicht die lei seste Ahnung, daß ihr Fund kein normaler Mann war, son dern daß er vielmehr jahrelang unter der Lawine gelebt hatte, die ihn begraben hatte, bevor der Gletscher zu Tal geflossen war. Und woher hätten es die Wissenschaftler auch wissen sollen? Wie hätten sie sich von ihrem so sehr geschätzten >Frühmenschen< auch vorstellen können, daß er weder Nah rung noch Wasser brauchte aber - oh, so langsam - an Blut mangel verhungert war?
    Merrick zwang sich, die zerfurchte Hand in seine eigene zu nehmen. Sie war kühl, aber nicht kalt. Die eisblauen Augen des Saugers blickten in seine. Merrick konnte das Leben spü ren, das noch immer in ihnen weilte. Tief in den blauen Tei chen schienen kleine Flammen wie von Streichhölzern aufzu blitzen. Plötzlich starrten die Augen in glühendem Haß. Die eingetrockneten Lippen bewegten sich leicht und waren dann wieder ruhig.
    »Ich weiß«, flüsterte Merrick. »Aber ich konnte dich so nicht weitermachen lassen. Du hast dreitausend Menschen hingeschlachtet, bevor ich dich ausfindig gemacht und zur Strecke gebracht habe.«
    Und jetzt muß ich einen neuen Killer jagen, dachte er, und ihn hierhinbringen - einen Blutsauger, der so verzweifelt nach Blut gelechzt hat, daß seine Nase geblutet hat. Warum? War er vielleicht eine Zeitlang gefangen gewesen?
    Eines war sicher: Er war nicht mehr hungrig.
    Merrick legte die skelettierte Hand auf das Lager zurück. Er zwang sich, jeden der Körper zu untersuchen. Zwei waren tot, endgültig und schon seit langem, obwohl ihre Körper noch auf Jahrhunderte hinaus nicht wirklich verwesen wür den. Wenigstens konnte er sie jetzt begraben. Die übrigen waren noch am Leben.
    Merrick kroch an eine Seitenwand des Gewölbes und lehnte sich an eine der Türen, um zu horchen. Er konnte zunächst nichts hören. Aber dann drang ein Schlurfen an sein Ohr, das trockene Rascheln verkalkter Haut auf Zement. Er erinnerte sich, diesen Sauger in einem Morast außerhalb von Norfolk gefangen zu haben. Er hatte von zu Hause ausgeris sene Jugendliche erbeutet.
    Während Merrick durch die Tür hindurch lauschte, begann der Sauger jenseits der Tür zu murmeln und wieder holte immer wieder einen Satz in einem Singsang und einer Sprache, die Merrick nicht kannte. Entnervt zog er sich von der Tür zurück.
    Ich sollte auch die anderen Zellen untersuchen, dachte Merrick.
    Nächstes Mal.
    Er eilte zur Tür am Ende des Gewölbes und steckte den Schlüssel ins Schloß, und die Tür öffnete sich lautlos. Als er ins Innere schlüpfte, verspürte er Erleichterung, und er schloß die Tür zu den Kammern des Schreckens hinter ihm.
    Er wandte sich Sandeman zu. Der Blutsauger lag, umgeben von seinen kostbaren Büchern, auf seinem Lager. Seine Reg losigkeit war erschreckend, und Merrick sank das Herz. Er kniete sich neben das Bett und ergriff Sandemans Handge lenk. Zunächst konnte er keinen Puls finden, dann fühlte er einen Schlag, schwach und sehr langsam. Erleichtert studierte
    er das Gesicht auf dem Kissen, es war hager und aristokra tisch, die Haut wie Pergament über die vorstehenden Kno chen von Wange, Stirn und Kinn gespannt. Sandemans Haar war schneeweiß und dünner als noch bei der letzten Begeg nung geworden, und es ging ihm jetzt bis zur Hälfte des Nackens. Lachfältchen in den Augenwinkeln verliehen ihm ein freundliches, fast geheiligtes Aussehen.
    Und was war Sandeman schon anderes als ein

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