Sohn Der Nacht
die Sauger für ihre angeborene Fähigkeit benutzten, den Blutfluß in ihren Opfern zu beeinflussen. Diese Fähigkeit im Verein mit großer Muskelkraft und Zellen, die sich selbst fast auf der Stelle von jeder Verletzung heilten und sich vor dem Alte rungsprozeß bewahrten, das waren die drei biologischen Säu len der Blutsauger. Raubte man ihnen diese, dann hatte man, abgesehen von den scharfen Sinnen, ganz normale Menschen. Die Fähigkeit, das Blut zu >beeinflussen<, schien begrenzt auf die Kapillaren der Retina, der Adern im Stammhirn und die Lation größerer Venen und Arterien. Alle Sauger wußten, wie das zu machen ist - und wie man sich dagegen wehren konnte.
Merrick schüttelte den Kopf. »Selbst wenn Zane gelernt hätte, seine Kräfte zu steigern - Normale zu >beeinflussen< ist nicht dasselbe wie die >Beeinflussung< eines anderen Sau gers.«
»Nicht dasselbe«, stimmte Sandeman zu. »Aber Zane könnte gelernt haben, wie man es macht.«
»Aber nicht bei mir.«
»Wie kannst du da so sicher sein?«
Merrick antwortete nicht.
Sandeman studierte ihn einen Augenblick und sagte dann: »Einer meiner Sauger-Freunde erzählte mir vor ein paar Jah ren eine Geschichte - das war gleich nach der Russischen Revolution, glaube ich. Sie handelte davon, wie der ubjetsa Merrick fünfzehn Sauger zur selben Zeit zur Strecke gebracht und begraben hatte.«
Mörder. Die Ironie, die darin steckte, ließ Merrick knurren. »Sie waren auf der Jagd nach mir.«
»Dann stimmt es«, flüsterte Sandeman.
Merrick fühlte sich seltsam unwohl in seiner Haut. Er hatte
die Geschichte nie weitererzählt. Wer also konnte sie erzählt haben? Diejenigen, die es wissen mußten, wußten es alle. Er sagte: »Es gab zehn von ihnen, nicht fünfzehn. Sie haben sich miteinander verbündet, um mich unschädlich für sie zu machen.«
»Und du hast sie alle besiegt.«
»Nicht alle. Neun von ihnen. Und auch nicht alle auf ein mal. Sie machten einen Fehler. Sie wußten, daß sie alle gemeinsam mehr als genug Macht hatten, mich zu überwältigen und zu vergraben. Natürlich haben zehn Sauger, die nahe beieinander stehen, eine so machtvolle Aura, daß selbst Nor male sie spüren können. Sie wußten, daß ich ihre Annäherung spüren würde, während sie mich nicht spüren konnten, aber sie machten sich nicht klar, welchen Vorteil das für mich bedeutete. Sie waren so selbstbewußt wie ein Rudel Löwen auf einem Streifzug. Aber solange sie zusammenblieben, ließ ich sie nie nahe an mich herankommen. Nach einer gewissen Zeit waren sie gezwungen, sich aufzuteilen, um ihre Chancen zu erhöhen, mich zu finden. Dann ging ich auf sie los. Ich konnte sie einen nach dem anderen angreifen und vergraben. Als nur noch drei übrig waren, gaben sie auf und flohen. Innerhalb der nächsten paar Jahre konnte ich zwei von ihnen aufspüren.«
Sandeman schluckte. »Und der andere?«
Merrick zögerte und antwortete nicht.
»Du hast den letzten gehenlassen, so daß er die Kunde ver breiten konnte«, sagte Sandeman, dem die Sache langsam klar wurde. Er blickte zur Seite, und in seinen Augen stand Angst. Merrick wurde auf einmal so sehr von Trauer über mannt, daß er einen Augenblick lang nicht sprechen konnte - der einzige Freund auf der ganzen Welt, der es verstehen konnte, und statt dessen erschreckte es ihn. »Sie waren darauf aus, mich zu vernichten, Sandeman.«
»Weil sie wußten, daß du versuchen würdest, sie ihrerseits zu vernichten.«
»Das ist etwas anderes. Sie waren alle Killer.«
»Sie waren alle Beutegreifer und taten nur, was ihre Natur ihnen vorschrieb.«
Mühsam brachte Merrick seine Verzweiflung unter Kon trolle. »Die Natur schreibt gar nichts vor. Die Natur ist einfach nur, wie sie ist. Sie hat keine Moral, keinen speziellen Plan für die menschliche Rasse, die Sauger - oder andere. Ein jeder von uns muß für sich allein entscheiden, was er will, und zum Teufel mit der Natur.«
»Du läßt das alles so einfach klingen«, sagte Sandeman sanft. »Ich habe es versucht, großer Gott, wie sehr habe ich mich bemüht - nein, sieh mich an, Merrick! Ich glaube genau wie du, daß es falsch ist, ein anderes menschliches Wesen zu töten. Ich habe hart gegen diesen Drang angekämpft. Du kämpfst doch auch dagegen an, sogar jetzt noch, oder? Jedes mal, wenn du ihnen eine Blutprobe entnimmst, hungert es dich, sie zu töten, aber irgendwie tust du es dann doch nicht. Du kämpfst und du gewinnst. Der Rest unserer Art ist nicht so stark wie du. Ich nicht, und
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