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Sohn Der Nacht

Titel: Sohn Der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Spruill
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Heiliger?
    Sandemans Augen öffneten sich. »Wo starrst du hin?« Seine Stimme klang rostig, als habe er sehr, sehr lange nicht mehr gesprochen.
    Merrick grinste.
    »Hilf mir, mich aufzusetzen.«
    Merrick zog ihn am Arm hoch, und sein Grinsen ver schwand, als er spürte, wie dünn der Arm des Saugers gewor den war. Seit Sandeman vor einem Jahr das Gewölbe zum erstenmal betreten hatte, waren seine Muskeln langsam geschwunden und hatten nur die scharfen Kanten von Seh nen und Knochen übriggelassen. Wie lange würde er sich wohl noch bewegen können? Merrick erinnerte sich an den drahtigen und starken Sandeman vor einem Jahr, vor hundert Jahren, dreihundert. Stets elegant gekleidet. Immer unter wegs mit einem anderen Sauger, sobald sich die Gelegenheit dazu ergab. Ein angenehmer, gebildeter Mann, der sich selbst verzweifelt davon abhalten wollte, andere zu töten, und es doch nicht konnte.
    Und daher erledigte es das Gewölbe jetzt auf seinen eigenen Wunsch hin für ihn. Er ganz allein unter all den anderen Saugern war freiwillig hier.
    Sandeman blickte ihn an. »Ist es denn so schrecklich, was du hier siehst?« fragte er.
    Merrick zog sich einen Klappstuhl ans Bett und setzte sich. Er erzählte Sandeman von dem Mord an der Kathedrale - davon, daß das Blut des Saugers auf dem Opfer gefunden worden war. Sandeman hörte mit geschlossenen Augen zu und sagte dann: »So könnte uns denn jetzt deine Katie ent decken. Ich sagte dir ja, es sei byezumnay, sich in eine Fachärz tin für Hämatologie zu verlieben.«
    Verrückt.
    Merrick erinnerte sich wieder daran, daß Rußland das letzte Land gewesen war, in dem Sandeman gelebt hatte, bevor er in das Gewölbe gekommen war - in Moskau und Leningrad hatte er sich aus den Kehlen früherer KGB-Leute ernährt. Merrick konnte nicht mehr genau sagen, wann er selbst diese Sprache gelernt hatte.
    »Katie wäre auf jeden Fall hinzugezogen worden«, sagte er, »ganz gleich, ob ich es wußte oder nicht.«
    »Was würde das wohl für einen Aufruhr bedeuten, wenn wir entdeckt würden«, murmelte Sandeman. »Ich habe vor nichts mehr Angst, das ist vorbei, und doch läßt mich der Gedanke schaudern. Aber erzähle mir, mein Freund, was bedrückt dich? Wenn unsere Mitmenschen, die nicht das Gen haben, von uns erfahren, werden sie die Blutsauger jagen und sie vernichten - und das ist doch genau das, was du auch stets getan hast.«
    »Ich jage sie nur, wenn sie morden.«
    »Alle Blutsauger morden.«
    »Du nicht. Ich nicht.«
    »Wir sind die einzigen.«
    »Das kannst du nicht wissen. Es könnte weitere geben. Was ich aber weiß, ist, daß wir keine Tiere sind. Wir können uns selbst beherrschen. Was zählt, ist, was wir tun, nicht, was wir >sind<.« Merricks Gesicht begann vor Entrüstung zu brennen. »Ich kann mir nichts Monströseres vorstellen, als eine ganze Rasse zu jagen und auszurotten, nur weil sie mit einem ganz bestimmten Gen geboren wurde ...«
    Sandeman hob eine Hand. »In dem Punkt sind wir einig, mein Freund. Die Geschichte der Normalen ist besudelt von genau diesem Verbrechen. Wenn sie jemals von uns erfahren, werden sie so entsetzt sein, daß sie dich und alle anderen von unserer Art lebendig begraben.«
    Eine vertraute Vorahnung stieg in Merrick auf. Selbst wenn
    die Normalen nicht versuchen würden, ihn zu fangen und zu vergraben, wäre er stets nur ein Paria und müßte seine Jahr hunderte allein durchleben. Das war sein schlimmster Alp traum.
    »Um noch einmal auf den Mord an der Kathedrale zu kom men«, sagte Sandeman, »da macht dir doch noch irgend etwas anderes Sorgen.«
    Merrick fragte sich, was er wohl ohne diesen sterbenden Mann tun sollte, der so scharfsinnig, so ganz anders als die anderen hier in dem Gewölbe war. Die einzige Seele auf der ganzen Welt, mit der ich reden kann, dachte Merrick. »Der Mörder hat das Blut seines Opfers auf einen der Wasserspeier an der Kathedrale geschmiert«, sagte er.
    Sandemans Augen weiteten sich.
    »Wenn ich es nicht entfernt hätte und Byner und einer sei ner Gehilfen hätten dieses Blut gesehen und es mit dem des Opfers verglichen, dann hätte das einige Unruhe hervorrufen können. Der Wasserspeier ist mindestens fünfzig Fuß höher angebracht, also jenseits der Reichweite auch der höchsten Leiter, die ein normaler Mensch mit sich herumschleppen könnte. Und welcher Mörder würde sich wohl mit einer Lei ter belasten?«
    »Glaubst du, er hat es getan, um mit der Polizei zu spie len?«
    »Nicht unbedingt«, sagte Merrick. »Ich

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