Sohn Der Nacht
ein schmales, dünnes Geflecht aus Gold. In ihrem Eifer, die Zellen zu betrachten, entschied Katie sich, sie zunächst zu untersuchen, ohne sie einzufärben. Sie schob das Gitter durch eine Luftschleuse in die Vakuum kammer des Mikroskops und legte dann den Schalter um, der das Mikroskop in Tätigkeit setzte. Mit einem sanften Summen schoß die Kanone oben auf dem Mikroskop einen Strom von tausend Kilovolt von Elektronen hinunter durch die Linsen und dann durch die roten Blutkörperchen.
Katie beugte sich über das Bleiglasfenster nahe dem Boden des Mikroskops und blickte in eine Welt hinein, in der in Bruchteilen von Millimetern gemessen wurde. Der fluo reszierende Bildschirm verursachte das übliche leichte Bren nen in ihren Augen. Zwei rote Blutzellen lagerten nahe dem Zentrum des Sichtfeldes, und sie sahen so groß aus wie Bal lons ...
Und da war sie - eine dicke, absolut gleichmäßige Mem bran rund um jede Zelle!
»Was?« sagte Art und holte tief Luft. Sie hatte noch nie eine rote Blutzelle gesehen, die eine solche Membran besaß. Woher kam sie? Woraus bestand sie?
Katie machte dem Praktikanten Platz, damit er ebenfalls einen Blick darauf werfen konnte.
»Großer Gott!« Er trat zurück und starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an.
Sie nahm ihren Platz am Sichtfenster wieder ein und starrte auf die Membran. Sie wünschte sich, das Mikroskop könnte ihr die Farbe anzeigen, aber die Wellenlänge der Elektronen war sehr viel kürzer als die des sichtbaren Lichts und zeigte die Membran nur als schwarzen Ring rund um die graue Masse der Zelle. Sie sah absolut solide aus, aber sie wußte, sie mußte wenigstens teilweise durchlässig sein, oder die roten Blutkörperchen wären nicht in der Lage, Schadstoffe aufzunehmen oder Nährstoffe und Sauerstoff in die Körperzellen abzugeben. Während sie weiter ins Mikroskop starrte, merkte Katie zu ihrer Überraschung, daß die Membran sich zu verändern begann. »Sie wird langsam dünner«, rief sie, »und dunkler.«
»Dann tötet der Elektronenstrom sie ab«, sagte Art.
»Das glaube ich nicht.«
Erstaunt beobachtete Katie die Zellen zwei weitere Minu ten. Sie blieben rund und zeigten keinerlei Anzeichen von Zerstörung. Die Verdunklung der Membran wies darauf hin, daß sie dichter geworden war, vielleicht als Reaktion auf den Angriff der Elektronen. »Unglaublich«, sagte sie. Sie richtete sich auf und blickte Art an.
Er nahm grinsend ihre Hände. »Sie werden noch berühmt werden.«
»Art! Ich habe Ihnen doch gesagt, wir können mit nieman dem über das hier reden.«
»Ich verstehe, aber Katie, Sie wissen, daß dies schließlich doch herauskommt, und Sie werden diejenige sein, die das entdeckt hat...«
Während er weiterredete, begann der Druck seiner Finger Wirkung zu zeigen. Ihre Hände fühlten sich plötzlich warm an; vorsichtig befreite sie sich wieder. Aber Stratton hatte recht - sie hatten gerade eine gewaltige Entdeckung gemacht. Die Membran mußte ein komplexes Protein sein, das von einem Gen produziert wurde. Dies war entweder ein normales Gen oder eines, das sich auf irgendeine Weise verändert hatte. Falls das Gen normal war, mußte es ein extrem seltenes sein, oder Blutzellen wie diese hätten schon früher auftauchen müssen. Es gab schätzungsweise hundert tausend menschliche Gene, und bisher waren nur einige wenige identifiziert worden. Die andere Möglichkeit war, daß das Gen durch einen Umwelteinfluß verändert worden war. Diese roten Blutkörperchen mußten von einem Men schen stammen, wie es nur sehr wenige Exemplare auf der Erde gab.
Und die frage ist, dachte Katie, wie kann ich diese Infor mation nutzen, um Merrick zu helfen, den Mörder zu finden? Das ungute Gefühl kehrte ganz plötzlich zurück. Der Mann,
der dieses Blut vergossen hatte, hatte eine Frau mit seinen Zähnen getötet.
Ich möchte Merrick so gern helfen, ihn zu finden, dachte sie. Aber ich will ihn nicht sehen. Nie wieder.
Als Katie die Zellen wieder ins Forschungslabor zurück brachte, war sie überrascht, Merrick dort vorzufinden. Art wollte gerade etwas sagen, daß das Laboratorium nur vom medizinischen Personal betreten werden dürfe, aber Katie hielt ihn am Arm fest.
»Art, das ist Detective Lieutenant Merrick Chapman. Mer rick, Dr. Art Stratton.« Während Katie die beiden Männer beobachtete, die sich die Hand gaben, erinnerte sie sich wie der daran, wie zurückhaltend Merrick sich bei der Vorstel lung verhalten hatte, einer ihrer Mitarbeiter könne von
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