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Sohn Der Nacht

Titel: Sohn Der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Spruill
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weg, um einen Bis sen zu essen. Ich glaube, im Augenblick schläft sie. Bleiben Sie nicht zu lange.«
    »Geht es ihr schlechter?«
    Shirley nickte traurig.
    Und doch war er nicht darauf vorbereitet, wie schlimm es wirklich war. Jennys Haut war weiß wie Kalk. Sie hatte sich zusammengekauert wie eine Bittstellerin und stützte sich auf Schienbein und Unterarm ab, die Wange in das Bett gepreßt. Der Anblick ihres verhutzelten, dünnen Körpers tat ihm weh. Eine alte Erinnerung kam an die Oberfläche, wie er selbst auf der Strohmatratze im Rückraum der Hütte seiner Familie gelegen hatte, und sein ganzer Körper hatte geschmerzt. Die Leukämie hatte seine Gelenke so schrecklich gepeinigt, daß er sich nur ganz vorsichtig in dem verzweifelten Versuch be wegt hatte, die Schmerzen zu erleichtern. Manchmal fand er endlich Schlaf in derselben ungewöhnlichen Position, in der auch Jenny jetzt war. Die Kehle zog sich ihm zusammen, als er sie anblickte. Wenn er nur glauben könnte, daß sie das Gen nicht hatte, daß irgendeine Behandlung ihr helfen könnte. Aber diese Hoffnung hatte er schon vor Wochen aufgegeben, als ihre Hungeranfälle begonnen hatten. Kinder mit anderen Formen der Leukämie reagierten manchmal nicht auf Behandlung, aber nur in der BlutsaugerLeukämie konnte man diesen konstanten seltsamen Hunger und Durst erleben, der nicht zu stillen war. Die Tatsache, daß ihre beiden Eltern Normale waren, hatte sie nicht gerettet, genausowenig wie ihn. Die meisten Sauger, deren Familienstammbäume er untersucht hatte, hatten zwei normale Elternteile. Ganz klar, das Gen war rezessiv, oder Zane wäre nicht der einzige Sauger gewesen, den er je gezeugt hatte.
    Jenny öffnete die Augen und schrie.
    »Ich bin's, Merrick«, sagte er.
    Sie sank in sich zusammen und bedachte ihn mit dem Anflug eines Lächelns. »Ich dachte, Sie seien Dr. Giggles.«
    Eine Gestalt aus einem Horrortraum. Sie hatten letzte Nacht darüber diskutiert - wie sie in ihren Träumen diesen Dr. Giggles in Maske und Kittel sah und wie er mit seinem Skalpell hinter ihr her lief. In der Art, wie sie das beschrieb, lag etwas seltsam Trauriges, als würde sie Teile davon will kommen heißen.
    Merrick erinnerte sich, wie er darum gebetet hatte, zu sterben.
    »Ich bin in der Tat Dr. Googol«, sagte er.
    »Eine wirklich große Nummer«, sagte Jenny. »Zehn zu dem einen Hundertstel.«
    »Wo hast du denn das gelernt?« fragte er überrascht.
    »In einem Comic-Buch.« Sie keuchte, ihr Körper ver krümmte sich, und ihre Hände vergruben sich in der Ma tratze.
    Merrick blickte verzweifelt um sich auf der Suche nach etwas, das sie beide ablenken könnte. Er sah die strohblonde, gertenschlanke Barbie-Puppe auf Jennys Nachttisch sitzen. Als er sie letzte Woche danach gefragt hatte, hatte sie verlegen reagiert und gesagt, ihre Mutter habe sie ihr gebracht, ohne sie zu fragen, und sie spiele nicht mehr mit Puppen. Aber sie war noch immer hier, oder? Und irgendwie hatte die Puppe in der vergangenen Woche auf mysteriöse Weise die Kleider gewechselt.
    »Ich sehe, Barbie trägt jetzt eine Studentenuniform«, sagte Merrick.
    Jenny hob den Kopf. »Oh, das. Ich war es leid, immer den Badeanzug zu sehen. Ich habe Mom gebeten, sie für mich umzuziehen.«
    Ein neuer Hustenanfall ließ Jenny sich zusammenkrüm men. Als er vorüber war, rieb sie sich die Augen. Ihre Bewe gungen waren so kraftlos und unkoordiniert, daß Merrick
    spürte, wie ihm die Tränen in die Augen schossen. Er dachte an die zweite Transfusionspackung, die er unter der Jacke vergraben hatte, und spürte ein plötzliches, wildes Verlangen danach, sie ihr zu geben. Er sah, daß Jennys Nasenflügel beb ten und ihre Augen fragend und mit neu aufgeflammter Lebhaftigkeit auf ihn gerichtet waren. War sie sich etwa auf sub lime Weise des Blutes bewußt? Er hätte es nicht hier hereinbringen sollen.
    »Ich bin so hungrig«, sagte sie.
    Er nickte.
    »Aber alles, was ich esse, schmeckt schrecklich - wegen der Strahlenbehandlung, sagt Dr. O'Keefe. Ich bin auch durstig. Ich trinke wie ein Fisch und bin immer noch durstig.«
    »Das ist Teil der Krankheit.« Schweigend verfluchte Mer rick das Gen. Warum Jenny? Zu sterben oder zu töten - welch grausamer Gott hatte nur einem unschuldigen Kind weiter nichts als diese beiden furchtbaren Wahlmöglichkeiten gege ben?
    »Dr. Googol, muß ich sterben? Dr. O'Keefe will es mir nicht sagen, aber ich glaube schon. Ich muß es wissen.«
    »Wir müssen alle sterben«, sagte er, obwohl es

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